
Es wird warm und mit einem Mal explodiert die Natur. Blumenteppiche breiten sich aus, Bienen umschwirren summend ihre Blüten, quittegelbe Zitronenfalter gaukeln durch die Luft und ziehen meinen
Blick mit sich. Die Vögel singen wie verrückt. Liebestrunken umwerben Buchfinken ihre Auserwählten und sind beinahe blind für sich nähernde Menschen. Erlenzeisige schwärmen grün über die Felder.
Ihr Flug sanft wogend gibt dem Wind eine Gestalt. Sperlinge sitzen wie vergessene Früchte in den noch kahlen Bäumen und zwitschern lautstark. "Der stumme Frühling" vor dem uns Rachel Carson
warnt, er scheint noch nicht gekommen. Die Welt wirkt heil.
Man nimmt nur wahr, was ist. Verluste sieht man nicht. Sie rücken erst ins Bewusstsein, wenn wir Vergangenes erinnern und mit dem Aktuellen abgleichen. Die Referenzgröße für diesen Vergleich
bildet dann die eigene Erfahrung. Früher gab es mehr Schmetterlinge - Kohlweißling, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Zitronenfalter, Admiral - sage ich dann und mein Verlust bezieht sich auf das,
was ich kannte und nun nicht mehr ist. Das Verlorene meiner Elterngeneration und der Großeltern, lernte ich nie kennen und spüre es nicht. Aber es ist vorhanden und türmt sich auf meines. So
werden wir von Generation zu Generation ärmer und fühlen uns doch nur um das Maß unserer eigenen Erinnerung betrogen.
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Nüket (Mittwoch, 04 April 2018 17:40)
Ein sehr schöner, dennoch trauriger, weil wahrer Abschlusssatz.