Was aussieht wie ein großer Klecks Kaviar, ist eine riesige Ansammlung roter Waldameisen, die sich auf einem morschen Baumstumpf niedergelassen hat, um ihn zu einem Nest zu verarbeiten. Und so ist der Hügel bestehend aus Kiefernnadeln und Holzstückchen auf dem zweiten Bild schon das Ergebnis etwa dreiwöchiger Arbeit. Der Bau liegt an einem sonnigen Abschnitt eines Waldweges, den wir häufig mit Anouk entlanglaufen. Das Anwachsen des Hügels und das emsige Treiben der Ameisen werden wir daher noch lange beobachten, aber um das verborgene Wunder im Inneren des Nestes zu würdigen muss man fragen können wie ein Kind. Woher wissen diese nur wenige Milimeter großen Tierchen, wie man stabile Gänge baut und regensichere, temperaturstabile Kammern anlegt, woher wissen sie, wie viel Grad die Larven zur Entwicklung benötigen und wie schaffen sie es, diese Temperaturen durch Umbau, Belüftung, Verlegung der Kinderstube zu halten? Sie organisieren Raubzüge, halten Nutztiere, verpflegen Artgenossen, versorgen Verletzte. Anscheinend können Ameisen komplizierte Berechnungen anstellen, planvoll handeln, organisieren und so architektonische, klimatechnische, logistische und soziale Leistungen erbringen, zu denen ich nicht in der Lage wäre - zumindest nicht ohne Ausbildung. Aber die hatten sie wohl auch nicht. Woher kommen also all diese Gaben? Wer die Frage ernst nimmt und sich nicht in Begrifflichkeiten verirrt, die lediglich die Phänomene am Rand theoretisieren, dem bleibt nur das Staunen und die Ahnung von etwas Großem hinter den Erscheinungen.
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