
Die Natur ist wie ein Horoskop, das so klug geschrieben ist, dass sich jeder angesprochen fühlen kann und doch niemand gemeint ist. Alle haben die Möglichkeit, etwas für sich Passendes herauszuhören und sich in ihrem Denken und Wissen bestätigt zu fühlen. Wer an das Recht des Stärkeren glaubt, schaut sich den Platzhirsch an, wer meint, dass der Begabtere Erfolg verdient, erfreut sich am Tanz der Kraniche und wem die Schönheit gilt, findet seinen Pfau. Es gibt liebende und mordlüsterne Tierväter, gleichgültige oder aufopferungsvolle Mütter, lebenslange Treue und One-Night-Stands. Die Welt ist voller Teamplayer, Altruisten, Einzelkämpfer und Egoisten. Man findet Sparsame wie Vertrauensvolle, Häuslebauer und Nomaden. Es gibt die Klugen und die Schlichten, die Schönen und ... Nacktschnecken, die nicht nur - trotzdem - einen Partner finden, sondern mit ihm auch noch - wohl zum Vergnügen? - stundenlang Sex haben. Sie müssten es nicht, als Zwitter geht das mit dem Nachwuchs auch ohne Gegenüber, kostet weniger Energie und ist nicht so gefährlich, denn aus mancher Umschlingung lässt es sich nur schwer befreien und in Ekstase ist man ein gefundenes Fressen. Wer jetzt an die Erweiterung des Genpools erinnert, der muss sich fragen lassen, wie diese schleimigen Wesen mit ihren winzigen Gehirnen davon erfahren haben sollen. Wieso produzieren sie nicht lieber selbstherrlich und unkompliziert lauter kleine Doppelgänger? Der Homo sapiens, lat. der verstehende, vernünftige Mensch, würde sich vielleicht selbstüberschätzend so reproduzieren. Er fühlt sich als Krone der Schöpfung und aus der Natur herausgehoben. Über allem stehend gibt er auf alles eine Antwort. Und die ist angesichts all dieser ungeheuren Vielfalt, diesem Potpourri an lebendig gewordenem Einfallsreichtum, erstaunlich einfach: Höherentwicklung durch natürliche Auslese. Der Durchsetzungsstärkste, der am besten Angepasste überlebt, den Rest holt sich mit sozialdarwinistischem Recht der freie Markt. So erklärt man die Welt, sieht, wie bei einem massentauglichen Horoskop, was man sehen will und ignoriert, was nicht ins Bild gehört. Einstein meinte: "Gott würfelt nicht." Ich glaube, er tut es doch. Seine Würfel haben nur unendlich viel mehr als sechs Seiten, was die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit, dass zum Schluss alle Zahlen gleich oft aufgetreten sind, schwer macht. Mittendrin kann man wohl glauben, dass die Serie, der Pasch das Spiel bestimmen, aber am Ende wird alles gut, heißt es und wenn es noch nicht gut ist, ist es noch nicht zu Ende. In diesem Sinne: Das Spiel geht weiter! Es gibt Grund für Optimismus!
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G. (Donnerstag, 21 Juni 2018 14:22)
Auch beim xten Male Lesen ein hinreißender Eintrag! Nochmal Danke!