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Wenn ich ein Vogel wär' oder Holz vor der Hütte

Wenn ich ein Vogel wär' und auch zwei Flügel hät', dann flög' ich weg - im Winter. Dann könnte ich meine Hängematte im Frühling und Sommer hier im Wald und in der kalten Jahreszeit dort aufhängen, wo es schön warm ist. Die Zugvögel machen das und manche vom Glück begünstigte Rentner. Auch die frühen Jäger und Sammler konnten durch ein üppiges und ziemlich menschenleeres Land - wenn sie wollten - der Sonne nachziehen und ihre einzige Sorge bestand darin, jeden Tag genug zu Essen zu finden. Und das muss wohl so einfach gewesen sein, dass sie nur wenige Stunden am Tag damit beschäftigt waren. Deshalb sprechen Anthropologen bei dieser Lebensweise von einer "ursprünglichen Wohlstandsgesellschaft". Die Bedürfnisse der Menschen waren gering, die Möglichkeiten sie zu befriedigen groß. Man war reich, weil man wenig brauchte/wollte. Man lebte im Überfluss. Wir leiden dagegen Mangel. Wir wollen viel und das Viele zu bekommen, ist gar nicht leicht und macht darüber hinaus ständiges Produktivsein nötig. Da fragt man sich doch tatsächlich, was wir zivilisierten Menschen gewonnen haben. Immerhin einen Job, Versicherungen und Steuern, Rechnungen, Miete, Termine und Pflichten, Fernsehen und Internet. Das treibt uns um und lenkt uns ab, nicht zuletzt von uns selbst. Wer beschäftigt ist, wird sich nicht zur Last, das Leben ist lästig genug. Und was haben die frühen oder heute noch letzten "primitiven" Menschen getan, die schon morgens mit allem durch waren und dann Zeit hatten? Wenn man neueren Forschungen glauben darf, nicht viel. Es reichte zu leben und seine Seele in der Luft baumeln zu lassen, beim Schlummern, Tagträumen, Spielen, Erzählen, beim Singen, Tanzen und Feiern. Das können wir uns nicht leisten und könnten es wohl auch nicht mehr leisten. Denn dazu braucht es andere Fähigkeiten, als die, die wir erworben haben und die in unserer vermeintlichen Überflussgesellschaft das Überleben erst möglich machen. Also gehen wir zur Arbeit, um Rechnungen zu bezahlen, beackern den Garten und hacken das Holz für den Ofen, denn wir bleiben, auch wenn es uns im Winter wegziehen würde, daheim. Dann soll es wenigstens warm und gemütlich sein und vor dem Kamin können wir dann das Seele-baumeln-lassen ja mal üben.

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