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Hab' mich vertrieben

Wir leben da, wo andere Urlaub machen. Wollte ich einen Werbeprospekt mit den Vorzügen unseres Landstrichs im Allgemeinen und unserer Ecke im Besonderen verfassen, dürfte der Hinweis "nur zwei Minuten bis zum Wasser" nicht fehlen. In diesem Sommer ein besonderer Genuss. Immer wenn uns zu warm wird und die Lust auf Abkühlung packt, gehen wir die langgestreckte Treppe zwischen unserer Waldsiedlung und der Auenlandschaft, durch die sich die Hardau mit glasklarem Wasser schlängelt, hinunter und kühlen uns wasserspritzend ab. Dass wir solch einfache Freuden in der Natur erleben können, macht mich immer wieder ganz fassungslos, denn es fühlt sich wie der Stoff an, aus dem die Kindheitserinnerungen sind: Sonne, Wärme, Wasser, Lachen und Unschuld. Und da sind noch andere Bilder: auf einer Wiese oder unter einem Baum liegen und zeitlos das Blätterdach, oder umgedreht die Welt im Kleinen bestaunen, während einem der Duft des Grases und der Blumen in die Nase steigt, selbstvergessen durch einen Wald streifen und sich so schön gruseln, wenn man dem Weg verloren geht. An die Gefühle, von denen ich weiß, dass sie dazugehören und die einen besonderen Zauber haben, kann ich aber nur noch in der Erinnerung anschließen. Vollständig eintauchen in sie kann ich nicht mehr. Es ist ein wenig wie die Vertreibung aus dem Paradies, der Preis, den wir fürs Erwachsensein zahlen. Und als Teil einer technisch hochentwickelten Gesellschaft, die Geräte zwischen sich und das Erleben schiebt, zahlen wir ihn noch obendrauf. Immer schön auf Distanz bleiben. Kinder dagegen sind mittendrin, sie sind das Spiel, das sie spielen. Zur Person (von persona/Maske) wird man erst, wenn man als Schauspieler in seinem eigenen Leben auftritt und seine Rolle im Spiel begutachtet. Und das tun die meisten Erwachsenen oft oder ständig. Kein Wunder, dass einem da manchmal der Spaß vergeht. Verwunderlich daher auch nicht, dass Jesus als Allheilmittel seinen Mitmenschen rät: Werdet wie die Kinder. Oder Fromm fragt: Haben oder Sein.        

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Kommentare: 1
  • #1

    Nüket (Freitag, 27 Juli 2018 14:51)

    Ja, solche Kindheitserinnerungen habe ich Gott sei Dank auch. Du GLÜCKLICHE kannst sie nicht nur wachrufen, sondern noch auffrischen.