
Ordnung sieht anders aus. Wäre der Wald hinter dem Haus ein Kinderzimmer, man könnte verzweifeln. Alles bleibt einfach liegen, wo es fallengelassen wurde. Niemand hebt etwas auf, nichts wird an seinen Platz zurückgebracht. Keinen Fuß bekommt man an den Boden. Heruntergebrochene Äste, vergessene Stämme, abgerissene Rinde, Zapfen, Blätterhaufen, Steine, Knochen und Federn - Waldorfspielzeug wild verstreut. Die im Windwurf umgekippten Bäume vergrößern das Chaos noch mit ihren Wurzeltellern, die den Boden aufreißen, als wollten sie den Deckel einer Schatzkiste öffnen. Und sofort erscheinen Kaninchen, Mäuse und Marder auf der Bildfläche, wühlen neugierig darin herum und werfen achtlos hinaus, was sie nicht brauchen können. Sand verteilt sich, sammelt sich zu Erhebungen, die Erde bekommt Löcher, Spalten und Risse, in denen Undefinierbares wohnt. Wenn dann noch Essensreste herumliegen, die lebendig werden, ist es mit der Geduld vorbei. Da hilft nur: Tür zu! Seht doch allein zu, wie ihr klar kommt! Und siehe da, sich selbst überlassen, beherrscht das Genie das Chaos, räumt auf, verwertet, macht aus alt neu und ganz nebenbei entsteht hohe Kunst, wie das obige Materialbild zum Thema Wandlung zeigt: "Pilzensemble an absterbendem Holz". Das zeitlose Werk eines großen Meisters, der ungenannt bleiben will, präsentiert zart geäderte Trameten, wirkungsvoll kontrastierend mit goldbraunen Samtfußrüblingen auf einem Grund von Kiefer, der mit feinem Pinselstrich aus Weißfäule und Moosbewuchs die Patina des Alters verliehen wurde.
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Julia & Sally (Dienstag, 01 Januar 2019 14:56)
Wieder einmal so treffend und klug formuliert! Eine Freude zu lesen :-)
Ich wünsche Euch beiden einen guten Start ins neue Jahr und alles Gute, viel Freude und Muße, viel Geduld und Zuversicht für 2019!