
Jedes Jahr wieder hängt über irgendeinem brachliegenden Feld der durchdringende Geruch liegengebliebener Zwiebeln. Dann würde ich gerne den Block erweitern um eine Duftprobe, wie es sie in Zeitschriften für beworbene Parfüms gibt - man reibt mit dem Finger über eine mit Geruchspartikeln präparierte Stelle und schon steigt Wohlgeruch empor oder erfüllt, wie in diesem Fall, das Zimmer mit schwefeligen Gestank. In nicht ferner Zukunft wird das Erzeugen eines Duftbildes sicher durch Tippen auf den Bildschirm genau so möglich sein, wie die Stimulation einer taktilen Empfindung. Dann sitzen wir am Computer und streicheln das Fell eines Löwen und wenn er das Maul öffnet, produziert unser Gehirn den Geruch von verdautem Fleisch und Wildheit - schöne neue Welt. Bisher vermisst sie niemand. Wehe aber, die neue Technik ist da, dann wird sie plötzlich unentbehrlich und ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellbar. Wissenschaftler und Pädagogen werden die Erweiterung des Erfahrungshorizontes unserer Kinder begrüßen und den Gebrauch damit legitimieren. Endlich kann dann das Großstadtkind ein Huhn nicht nur sehen und hören, sondern auch riechen und streicheln, die Kuh melken, das samtige Fell an seiner Stirn fühlen und den Duft der warmen Milch einatmen. Und das Landkind wird eine virtuelle Fahrt in der U-Bahn unternehmen samt Geschubse, Gedränge und dem Potpourri verschiedener Gerüche. Diese unschuldigen Vergnügen lassen sich fantasie- und lustvoll weiter entwickeln und im Stil "Schöne neue Welt" zu Ende denken. Aber das glaubt doch niemand, oder? Soweit wird es nicht kommen, dass wir angeschlossen an eine Maschine in einer Scheinwelt leben werden, die all unsere Wünsche befriedigt?
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