
Wer kennt nicht die Fabel von der Grille und der Ameise. Generationen von Kindern wurden mit ihr zu Strebsamkeit und Fleiß angehalten. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. Wer im Sommer, statt Vorräte zu sammeln, unnütz Musik macht, dem empfiehlt die Geschichte zynisch, im Winter zu tanzen - hungrig versteht sich. Verständnis oder gar Unterstützung hat er nicht zu erwarten. Die Botschaft ist so eindeutig wie gnadenlos und ginge es nach ihr, müsste auch ich bald tanzen - gegen die Kälte - denn unser liebevoll nach Schönheit zusammengestellter Zapfenvorrat geht bereits jetzt dem Ende entgegen. Und ohne Material zum Anfachen gelingt nun einmal kein anständiges Feuer.
Not macht aber auch erfinderisch und das ist die Kehrseite der Vor-Sorge. Innovationen entstehen nämlich nicht, wenn man satt, träge und zufrieden ist, sondern wenn man die tägliche Sorge voller Vertrauen in ... tja, Gott? ... oder sich selbst? annimmt. So lehrt es zumindest die Bibel: "Sorgt Euch nicht um morgen, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen." Und dann gibt es noch Lilien und die Vögel des Himmels und plötzlich ist man ganz entspannt. Siehe da, es geht: Wir klauben nun während unserer täglichen Spaziergänge im Wald nasse Zapfen, Rinde und durchweichte Äste zusammen und trocknen sie auf dem Ofen. Die Vorsorge wird zur täglichen Sorge, die genügt und im Sommer die Zeit lässt, wie Frederick, die Feldmaus von Leo Lionni in der modernen Form der alten Fabel, Sonnenstrahlen, Farben und Wörter - die wahren Schätze des Lebens - zu sammeln.
PS. Und um eine Innovation hat uns die Not auch bereichert: Birkenrinde, auf die wir in der Fülle des Sommers nie verfallen wären, brennt wie Zunder und macht fortan den Kauf von Anzündern entbehrlich.
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