
Über Anfang und Ende lässt sich trefflich streiten. Ob ein Weg also eher weg oder eher zurück führt ist auch eine Charakterfrage. Für den Nomaden in uns bedeutet der Weg die Verheißung vom Glück in der Ferne, das Licht leuchtet ihm am Ende des Tunnels, der Sesshafte dagegen ist nur versehentlich fort, für ihn ist die Straße das Versprechen auf eine sichere und schnelle Heimkehr und nur der Buddhist weiß, dass der Weg selbst das Ziel ist.
Bei uns brennt die Laterne am Fuß der langen Auffahrt zu unserem Grundstück, wir müssen uns daher erst einmal vom Licht abwenden, um durch die Dunkelheit zu unserem Häuschen zu finden. Die hohen Bäume an beiden Seiten lassen sie dabei beinahe wie einen unterirdischen Gang erscheinen und wenn dann niemand zu Hause ist, kein Feuer im Ofen brennt, das einem den Weg durch den Garten weist, muss man sich langsam, umsichtig Fuß vor Fuß setzend, weiter vorwärts tasten und atmet erst erleichtert auf, wenn man die Terrasse erreicht. Wir könnten auch Lampen mit Bewegungsmeldern installieren, Solarleuchten aufstellen oder einfach im Haus das Licht brennen lassen, aber das Gefühl, uns des Waldes mit solchen Maßnahmen nicht würdig zu erweisen, hat uns bisher davon abgehalten. Ein Wald mag es dunkel und geheimnisvoll und ich mag ihm nicht den Zauber nehmen mit einer künstlichen Dauerbeleuchtung und schon gar nicht mit einem so offensichtlich zur Schau gestellten Bequemlichkeits- und Sicherheitsbedürfnis. Denn ein Wald müsste darüber wohl schmunzeln. Er wird so vieler nächtlicher Dramen von Fressen und Gefressenwerden, von Leben und Sterben, von Anfang und Ende ansichtig, dass er sicher schon ganz weise geworden ist und die ängstlichen Menschen belächelt, die es in ihm ohne Licht nicht aushalten können.
Gestern hörte ich in der Einfahrt zwei Bäume lange miteinander reden. Ich weiß nicht worüber, der eine knarrte, der andere miaute leise zur Antwort. Und mir entging das Zwiegespräch nur deshalb nicht, weil mich kein Licht schnell auf den Weg brachte und ich so ganz Ohr war.
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