
Wenn es kalt und dazu windig ist, meiden wir bei unseren Spaziergängen mit Anouk den langen Weg hin zum nächsten Dorf und übers freie Land zurück nach Hause, denn ein Teil der Strecke führt auf einer schmalen, nur gelegentlich von Treckern und noch seltener von Autos befahrenen Straße durch weite Felder, über die der Wind ungebrochen hinwegfegt. Ohne schützendes Buschwerk auf den Feldrainen oder Baumgruppen am Rand ist man den Elementen schutzlos ausgeliefert. Nur eine Reihe vereinzelter kleiner Apfelbäume steht dort entlang des Weges. Hätten sie die Wahl, sie würden sicher weggehen und sich ein angenehmeres Plätzchen zum Leben suchen. So aber bleiben sie hier und trotzen den widrigen Umständen. Nur zögerlich wachsend legen sie sich eine dicke Haut zu und neigen sich gefügig dem Wind. Zäh halten sie an ihren schrumpligen Früchten fest und nehmen Flechten und Schrunden zum Schmuck. Wann immer ich an ihnen vorbeigehe, bin ich hin- und hergerissen zwischen Mitleid und Bewunderung. Mitleid, weil sie so einsam sind und es so schwer haben, voller Bewunderung aber auch, weil sie die Kraft finden es auszuhalten. Klein, knorrig, geduckt und verwachsen sind sie doch auf ihre Art wunderschön und wirken wie in tragischer Größe ganz einverstanden mit dem Schicksal, das ihnen zugeteilt wurde. Als hätten sie die einzige Freiheit, die ihnen blieb, genutzt, ihr Leben nicht zu erleiden, sondern es so zu wollen, wie es ist.
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Nüket (Dienstag, 22 Januar 2019 15:42)
Tja, was wären wir ohne Bäume? Deshalb will ich dies mit dir/euch teilen:
Ich bin die Wärme deines Herdes an kalten Winterabenden.
Ich bin der Schatten, der dich vor der heißen Sommersonne beschirmt.
Meine Früchte und belebenden Getränke stillen deinen Durst auf deiner Reise.
Ich bin der Balken, der dein Haus hält, die Tür deiner Heimstatt, das Bett, in dem du liegst und das Spant, das dein Boot trägt.
Ich bin der Griff deiner Harke, das Holz deiner Wiege und die Hülle deines Sarges.
>>Unbekannt<<