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Sauberes Waschen

Was ich will, d.h. aus wirklich freien Stücken will, was ich tatsächlich brauche und was nicht, kann ich nicht wissen. Denn wer immer von Dingen umgeben ist, die kulturbestimmend, notwendig oder selbstverständlich scheinen, der spürt vielleicht dem Zuviel einzelner Besitzgruppen nach: Brauche ich noch ein Paar Schuhe, mehr Tassen, das zweite Auto, den Fernseher fürs Schlafzimmer?, nicht aber den grundsätzlichen Anschaffungen. Ob daher Sofa, Sauger, Kühlschrank,  Waschmaschine, Smartphone etc. ins Haus kommen, steht kaum je zur Debatte. Sicher, man kann sich vom Zwang der Dinge und der Ansichten befreien, man kann selbst entscheiden, was man benötigt, worauf man sein Augenmerk richtet, wofür man arbeiten geht, womit man seine Lebenszeit füllt, aber in einer Gesellschaft, in der Konsum und Besitz persönlichkeitsdefinierend und  sinnstiftend sind, gruppenkompatibel machen und Sicherheit vermitteln, erfordert das den Mut zur Umwertung der Werte. Für den Einzelnen keine leichte Sache, besonders deshalb, weil Konsumverzicht, obwohl der einzig rettende Weg aus der Krise, in unserem System gar nicht gewollt ist und uns daher die Kaufanreize überall bedrängen. Ob man will oder nicht, man erfährt von den Dingen, die man nicht vermisste, aber nun begehren soll. Und die Methoden, mit denen unsere schlechtesten Eigenschaften angesprochen werden, um uns zu willigen Käufern zu machen, werden immer grober und subtiler zugleich. Sichere Orte gibt es kaum noch. Wer in der Welt verkehrt, muss auf der Hut sein. Das ist mühsam und von denen, die den ganzen Tag arbeiten, denen es an Zeit und Kraft fehlt, kaum zu leisten. Das schlechte Gewissen belastet dennoch und so erhofft sich der schuldbewusste Konsument die Absolution durch den Kauf des "richtigen", des "besseren" Produkts, wo einzig Unterlassung hilfreich wäre.

Da haben wir es auf dem Land und erst Recht im Wald leichter. Die Versuchungen sind weiter weg, die Lebenshaltungskosten geringer und die dafür notwendig aufzuwendende Lohnarbeitszeit kürzer. Der Kopf wird freier und die Handlungspielräume größer. Was ich daher alles nicht benötige, kann ich ausprobieren und nachfühlen, ob der Verzicht nicht eher ein Gewinn an Freiheit ist. Einen Kühlschrank z.B. brauche ich hier nicht, laufe statt dessen in den Keller und spare den Strom, für den ich arbeiten müsste. Auch ein Sauger, habe ich gelernt, ist in unserem kleinen Häuschen entbehrlich. Aber dass es ohne Waschmaschine gehen könnte, das wollte ich mir nicht vorstellen. Noch immer habe ich die Worte meiner Mutter im Ohr, wie anstrengend der Waschtag in ihrer Kindheit war. Diese Plackerei traue ich mir nicht zu, mache in Punkto Gründlichkeit und Effizienz den Kotau vor der Überlegenheit der Maschine. Die Abnabelung von ihr soll trotzdem nicht unversucht bleiben. Mit der per Handkurbel betriebenen Alternative von anno dazumal könnte sie gelingen. Von nun an machen wir die kleine Wäsche mit Regenwasser und Efeublättern oder Kastanien als Waschmittel. Und wer weiß, vielleicht geht es sogar so gut, dass wir uns doch noch von unserem Strom fressenden, Trinkwasser verbrauchenden Krachmacher verabschieden können.

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Kommentare: 3
  • #1

    Sandy (Sonntag, 10 Februar 2019 09:17)

    Da bin ich ja mal auf die ersten Waschergebnisse gespannt!
    Wenn die jungen Leute das nächste mal kommen, können sie (kreativ wie sie sind) vielleicht ein schönes Gestell basteln oder die Trommel als künstlerische Installation irgendwo im Garten befestigen.

  • #2

    Nüket (Sonntag, 10 Februar 2019 20:03)

    KLASSE!!! Das nenne ich Konsequenz - meine Bewunderung und große Anerkennung für Euren Minimalismus. Was braucht der Mensch, wenn er schon "alles existenzielle" hat, einen schönen Platz in dieser schnelllebigen Welt und einen Menschen, der zu einem hält.

  • #3

    G. (Dienstag, 12 Februar 2019 23:48)

    Alle Camper stimmen da zu! Und es werden immer mehr!