Als wir damals von Berlin hierher zogen, gehörte zu unseren größten Überraschungen, wie viel Essen überall herumliegt. Auf den Feldern finden sich sogar im Winter noch Möhren oder Kohl, Zwiebeln bleiben einfach auf den Äckern liegen, von den Traktoranhängern fallen Kartoffeln herunter und die Obstbäume an den Feldrändern hängen voller Früchte, die niemand will. Wieviele Wildkräuter und Gemüse darüber hinaus im Wald und auf der Wiese zu finden sind, das lerne ich erst jetzt. In einer Großstadt ist man dagegen vollständig abhängig von äußerer Versorgung, eine Daseinssicherung ohne Geld daher einfach nicht möglich. Natürlich haben sich diese Strukturen schon längst aufs Land ausgedehnt, dennoch gibt es hier deutlich mehr Möglichkeiten, sein Leben außerhalb monetärer Zwänge zu gestalten. Städte als pulsierende Orte, die alle Lebensbereiche künstlich übersteigernd an ihre Grenzen treiben, machen schon das bloße Dabeisein, erst Recht aber das Mitmachen und Mithalten zu einem teuren Vergnügen. Was auf dem Land gratis ist, die saubere Luft zum Atmen, ein Stück Natur vor der Tür, Ruhe insbesondere, muss in der Stadt mit einer Wohnung in guter Lage sehr teuer bezahlt werden. Auch gesunde Lebensmittel vom Markt oder aus dem Bioladen sind längst nicht allen zugänglich und erschwinglich. Wer beides dennoch will, muss sich nach der Decke strecken, und das heißt oftmals eben auch, Jobs zu übernehmen, deren Sinn und Mehrwert für die Gesellschaft fraglich ist und auch von den Betroffenen (ein manchmal angemessenes Wort für einen Arbeitnehmer) selbst angezweifelt wird. Ein Teufelskreis, dem man in der Stadt beinahe gar nicht, auf dem Land deutlich leichter entkommen kann. Nicht nur, weil hier vieles billiger und manches auf anderem Weg zu beschaffen ist, wie der Winterpostelein aus dem Wald, die Wildkräutersammlung vom Wegesrand oder das gestoppelte Gemüse, sondern auch, weil man so allerlei Zirkus nicht mitmachen muss: Dem Wald ist es nämlich egal, ob meine Kleidung angesagt ist oder nicht, ihn muss ich auch nicht mit dem neuesten Smartphone beeindrucken oder meiner Teilnahme am angesagten Event. In Wettbewerb treten wir nämlich nur mit Menschen, der Natur machen wir nichts vor.
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