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Kräutergeist

Meine ersten beiden neu gelernten Kräuter, Veronica Ehrenpreis und Scharbockskraut sollten zur Erinnerung und zur Erhaltung ihrer Heilwirkung eine besondere Würdigung erfahren. Daher habe ich sie mit dem Klaren übergossen, der von meinen Versuchen im letzten Jahr, Aufgesetzten herzustellen, übrig war. Das Ergebnis ist schön anzusehen und bereits nach drei Wochen hilfreich bei Frühjahrsmüdigkeit, zur Blutreinigung, bei Erkältungskrankheiten, Verdauungsbeschwerden und tausend anderen Wehwehchen. Auch zum Auftragen bei Hautproblemen oder einmassiert in - nach harter Gartenarbeit und langen Wanderungen - müde Beine, soll der Kräuterauszug, so stelle ich es mir vor, gute Dienste leisten. Über etwaige Wunderheilungen werde ich selbstverständlich berichten.

Deshalb auch an dieser Stelle eine Bilanz zur und ein Rückblick auf die Likör- und Medizinherstellung des letzten Sommers. Entstanden war die Idee, Auszüge aus den Schätzen der Natur zu bereiten, beim Anblick der hier recht unbeliebten, aber reich tragenden Traubenkirschen im Wald. Niemand wusste, ob die winzigen Früchte, über die sich die Vögel mit Genuss hermachten, auch für Menschen unbedenklich sind. Die daraufhin zur Fragestellung durchgeführte Recherche bescheinigte den Früchten absolute Unbedenklichkeit  sofern man sich der giftigen Kerne enthält. Der Ernte stand also nichts mehr entgegen und nachdem ich die Früchte vorsichtig zerquetscht hatte, füllte ich sie in Gläser, goss mit Hochprozentigem auf und stellte sie zur Geschmacksentfaltung aus den Augen aus dem Sinn. Beinahe wären sie daher tatsächlich in Vergessenheit geraten, wäre bei einem nachbarschaftlichen Kaffeeklatsch letzte Woche nicht die Sprache darauf gekommen und ich so endlich einmal (was mir als Nicht-Kuchenbäckerin höchst selten gelingt) in der Lage, mit Selbstgemachtem zu punkten. Die Verkostung erwies sich als voller Erfolg: Das Gesöff hat eine wundervoll tiefrote Farbe und ein intensives Aroma nach Amarenakirschen, deren leichte fruchteigene Süße sogar einen Zuckerzusatz entbehrlich macht. Ganz anders erging es mir dann allerdings mit dem Hopfenauszug, den ich ebenfalls im letzten Jahr in Angriff nahm und der seit nunmehr einem halben Jahr unbeachtet vor sich hin zieht. Nach meinem nachbarschaftlichen Verkostungstriumph holte ich ihn höchst optimistisch aus der Versenkung und filterte ihn in braune Apothekengläser. Das Mittel kann nun Anwendung finden bei Schlaflosigkeit und allerlei nervös bedingten Störungen. Ich hoffe jedoch, so krank erst gar nicht zu werden, denn das Ergebnis verdient keinen anderen Namen als Medizin, so scheußlich bitter-herb schmeckt es und so wenig ansprechend ist seine gallegelbe Farbe.   

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