
Ohne Auto spielen sich einige Dinge wieder in Echtzeit ab. Einkaufen auf Schusters Rappen z.B.. Kleinigkeiten können wir im Ort besorgen. Das ist kein langer Weg. Benötigen wir aber etwas Besonderes, so wandern wir zur nächsten Stadt gute zwei Stunden. Nicht schlimm, sollte man meinen, denn Gehen ist menschliches Maß: Schritt um Schritt um Schritt. So wurden wir geschaffen, so könnten wir zufrieden sein. Wir sind es aber nicht, denn Zeit, das haben wir gelernt, ist wie Geld knapp. Daher soll es immer schneller und schneller gehen. Viele alltägliche Handlungen werden daher heute technisch beschleunigt mit dem Versprechen, bei der so gesparten Zeit handele es sich um neu entstandene, exklusive Lebenszeit, die genossen, verprasst, totgeschlagen, verschenkt oder wie bei einem guten Geschäft wieder investiert werden kann. Beginnt man aber erst einmal damit die Zeit wie jede andere Ware zu behandeln, verändert sich das Denken und Fühlen grundlegend. Man zählt nun Sekunden, rechnet mit Minuten, geizt mit Stunden, man will sie horten, sie nutzen, sie nicht verschwenden, der Zeit ein Schnippchen schlagen, mehr in sie hineinpressen und vor allem sie möglichst teuer verkaufen. Unversehens wird das Leben zur Ware. Deshalb erscheint uns die durch Technik freigesetzte Zeit nützlich verbracht viel wertvoller als vertrödelt. Und wer einen Job hat, geht den Königsweg in unserer Gesellschaft. Der verkauft seine Zeit und je mehr er dabei herausschlägt, desto erfolgreicher wirtschaftet er mit seinem Leben. Arbeit erklärt und entschuldigt alles, wer arbeitet muss sich die Sinnfrage zur blauen Stunde am Abend nicht mehr stellen und nicht mehr stellen lassen. Er ist fein raus. Daher steht auch die Wiederherstellung der Arbeitskraft am Wochenende meist an erster Stelle. Wer es dann auch noch schafft, Erlebnisse zu sammeln, Veranstaltungen zu besuchen, Leute zu treffen und das verdiente Geld an den Mann zu bringen, wer also etwas vorzuweisen hat, wenn er Rede und Antwort stehen soll zur verbrachten Zeit, der macht, so wird es ihm versichert, alles richtig. Dreht man sich dann doch einmal im Hamsterrad zu schnell, fliegt gar raus, stellt man zuerst sich selbst in Frage nicht aber ein System, das dem Leben nicht mehr Sinn zubilligt als dem eines guten Geschäfts.
Nun laufen wir zwei Stunden in die Stadt und mit jedem Schritt ent-gehen wir dem Diktat der Zeitökonomie.
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