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Der Beweis

Zuckerschoten sind das wahre Anfängergemüse: Sie lassen sich schon früh, wenn die Vorfreude auf das eigene Gemüse besonders groß ist, in die Erde bringen, erfreuen bald mit ihren zarten Trieben, die sich schnell zu grazilen Pflanzen entwickeln, deren zarte Ranken so sehnsuchtsvoll nach Kontakt und Halt tasten, dass es einen rühren kann. Haben sie dann aber erst den Partner fürs Leben gefunden, die notwendige Rückendeckung erhalten, wachsen sie selbstgewiss und frohgemut in den Himmel und bilden weiße Schmetterlingsblüten, die so unfassbar schön sind, dass sie mir, so wie Benjamin Franklin das Bier, als Beweis gelten könnten, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind. Die leckeren Schoten, in die sie sich kurz darauf verwandeln, sind dann die seelig machende Dreingabe. Drei Zuckererbsen habe ich bereits von der von Gottes Gnaden erhalten und auch im Schonraum holen sie auf. Kein anderes Gemüse macht mir anfangs so viel Freude und Hoffnung, dass es doch irgendwann was werden könnte mit der Selbstversorgung. Allen anderen dagegen scheint es recht egal zu sein, wie ich mich in meiner Ungeduld fühle. Der Broccoli trödelt herum, der Lauch hält mich gänzlich im Ungewissen, ob er nicht doch einfach verirrtes Gras ist, die Pastinaken wachsen nur dort richtig gut, wo sie als Gang auftreten, so dass ich bald gezwungen bin, sie der besseren Entwicklung wegen zu trennen und an Einzeltische zu verbannen. Die Prinzessböhnchen zieren sich, denn ich habe sie noch immer nicht zu Gesicht bekommen, die Gurken und Zucchinis halten mich hin und nähren die Befürchtung, etwas grundsätzlich falsch zu machen, da sie sich erst jetzt erbarmen, die Erde zu verlassen, ganz so, als wäre es ihnen in meiner Obhut nicht geheuer und die Kapuzinerkresse fordert als Nachzüglerin wie jedes Jahr eine Extraportion Aufmerksamkeit ein, bevor sie selbstzufrieden zur Hochform aufläuft. Nur die Kartoffeln machen eingedenk ihrer preußischen Erziehung kein Gewese um sich. Überall in den Beeten, in denen ich in den vergangenen Monaten auch nur die kleinste Kartoffelschale, die winzigste Ecke einer Knolle verbuddelt habe, sprießt es pflichtbewusst. Die alten Säcke wachsen in die Höhe, in den wild angelegten Hügeln regt es sich und auch der Rohbau hat sich mit Leben gefüllt.      

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