
Von wegen "die Spargelzeit ist vorbei". Für uns hat sie erst angefangen. Das Feld, auf dem wir Woche um Woche die Ernte blasser Spargelstangen unter langen Folienreihen erlebten, ist abgedeckt, das Plastik zu dicken Rollen aufgewickelt und an die Seite geschafft. Nun wuchert es wild und blüht zart aus dem nach dem Einebnen der Wälle glattgerechten Boden. Es spitzen aber auch weiter frische Triebe aus der Erde und die will niemand. Daher fahren wir jeden Tag mit dem Rad los, pflücken genug für ein Abendessen und wundern uns, dass wir keine Konkurrenz bekommen. Es muss doch noch mehr Menschen verlocken, sich kostenlos mit frischem Gemüse direkt vom Feld zu versorgen. Oder haben die Leute hier alle eigene Gemüsegärten und sind schon satt? Vielleicht gehört es sich nicht und man scheut das Gerede? "Das kann man doch nicht machen! Was denken denn da die Leut?" Vielleicht müssen die Dinge aber auch einfach etwas kosten, um einen Wert zu haben? Denn im Geschäft sind die Gemüsetheken gut bestückt, die Nachfrage offensichtlich ungebrochen. Und wird das Selbstpflücken von Erdbeeren erst zum Event erhoben, für das ein Obolus zu entrichten ist, zieht es Groß und Klein durchaus auf die Felder. Was auch immer der tiefere Grund für die vornehme Zurückhaltung ist, zu unserem Schaden ist sie nicht. Denn würden erst die Massen aufs Feld strömen und sich um die letzten Stangen balgen, es wäre schnell vorbei mit dem Vergnügen. Dann hätte der Bauer allen Grund, die Invasion auf seine Felder per Verbotsschild zu unterbinden. So aber kann er großmütig uns seltene Vögel übersehen, die für eine Handvoll Spargel zwischen den Reihen herumlaufen oder in den abgeernteten Feldern die vergessenen Frühkartoffeln ausbuddeln. Irgendwas geht immer! Das könnte unser Motto sein: ob Zuckerschoten, Pflücksalat, Kräuter und erste Gurken aus dem eigenen Garten, Wildgemüse vom Wegesrand oder Gestoppeltes vom Feld. Für uns ist es Ehrensache, so wenig wie möglich hinzu zu kaufen und wenn sie uns zwei Wochen lang eine Spargeldiät verschafft, fühlen wir uns nicht gelangweilt sondern vom Leben reich beschenkt.
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Nüket (Mittwoch, 24 Juli 2019 22:46)
Ich vermute auch, dass die Menschen übersättigt sind. Wer will sich schon die Finger dreckig machen, um sein Essen auf den Tisch zu bringen, wenn man im Supermarkt alles in Plastikfolie eingepackt kaufen kann?