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Grobe Matte, feines Tuch

Welche Bedeutung der Stoff einmal hatte, haben wir fast vergessen. Zu leicht ist es geworden, sich zu bekleiden. Früher sogar eine Beschäftigung für Götter, die wie die drei Nornen den Lebensfaden spannen, verwoben und mit einem Schnitt sein Ende bestimmten oder in Gestalt der weisen Athene, die den Menschen die Kunst des Spinnens und Webens schenkte und der  selbstherrlichen Arachne zur Strafe für ihre menschliche Hybris die Verwandlung in eine Spinne bescherte, später dann für große Seelen wie Gandhi, der mit Spinnrad und Webstuhl die Souveränität seines Landes gegen die Kolonialherrschaft verteidigte oder die Ludditen, die für den Stoff aus eigener Hand die Maschinen in den großen Webereien stürmten. Da ging es um Leben und Tod, Ehre, Stolz und Freiheit. Grundlegend hat sich das bis heute nicht geändert. Am Tuch hängt viel Unrecht, Stand und Dünkel. Und eigentlich müssten auch wir wieder Sturm laufen, wenn nicht für uns, so doch wenigstens stellvertretend für die Anderen woanders. Aber auf die Straße geht man gewöhnlich erst wenn es weh tut - einem selbst natürlich. Friedlicher kann man es da wie Ghandi mit "Asahayoga" halten: "Nichtbeteiligung" an allem, was falsch läuft. Einfach ist jedoch auch das nicht. Des Schlechten gibt es zu viel und es tarnt sich zu gut. Wie heißt der Spruch? Es gibt nichts Gutes, außer man tut es ... selbst. Da weiß man was man hat. Dass ich allerdings einmal selbst einen Stoff zustande bringe, aus dem sich mehr als ein Kissen oder eine Matte machen lässt, das wage ich doch zu bezweifeln. Es braucht eben ein paar Menschen mehr mit verschiedenen Fähigkeiten und Interessen, die alle selbst und gemeinsam Hand anlegen und andere mit versorgen. Mein gewebter Läufer aus in den Händen gedrehter Rohwolle ist daher wohl eher ein netter Zeitvertreib, eine Meditation über die wesentlichen Dinge. Und er hält bei mir die Erinnerung wach, dass wir einmal mehr konnten und in der Lage waren, uns in kleinen Gemeinschaften selbst zu versorgen. Es ist ja nicht so, dass wir ausbeuterische Unternehmen reich machen müssen. Grundsätzlich steht es durchaus in unserer Macht, unsere Welt anders zu gestalten - friedlicher, anständiger und schöner.       

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Kommentare: 1
  • #1

    Nüket (Freitag, 16 August 2019 17:40)

    Deine Worte in Gottes Gehörgang!