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Supermaus

Heute mutmaßt man, dass der Hund nicht von uns domestiziert wurde, sondern dies aus eigenem Antrieb tat. Er hat sich selbst gezähmt, indem er zuerst unsere Nähe und im Laufe der Zeit den direkten Umgang mit uns suchte. Was für ein Geschenk von ihm an uns. Denn zahm wird Hund, Kaninchen, Huhn und Schwein nicht straflos. Einher geht der in Generationen ablaufende (Zivilisations-)Prozess nämlich nicht nur mit hell gefleckter oder sogar rein weißer Haut, Fell oder Gefieder sondern schlimmer noch mit kleineren Gehirnen. Ein solcher Fall von Selbstzähmung mit entsprechender Verfärbung ist mir nun begegnet: Da huschte doch am hellichten Tag, als ich gemütlich beim Kaffee saß, eine fast weiße Maus durchs Haus, blieb mitten auf dem Teppich sitzen, putzte sich ihr Schnäuzchen, eilte in die Küche und von dort über die Abwasserleitung balancierend weiter ins Bad, wo sie hinter der Badewannenverkleidung verschwand. Die undichte Stelle neben dem Abflussrohr, das nicht haarscharf bündig, sondern mit einem schmalen Spalt an einer Seite im Boden versinkt, war schnell ausgemacht. Problem erkannt, Problem gebannt. Und so konnte ich mich entspannt der Betrachtung des überraschenden Besuchers widmen, der völlig untypisch für seine Art und ganz im Gegensatz zu all seinen braunen, dämmerungsaktiven Kollegen schon nachmittags unterwegs ist und auch anders als seine Verwandten, die nie auch nur einen Fuß über unsere Schwelle setzten, beinahe ohne Scheu im Haus herumläuft und dargebotene Erdnüsse verspeist. Anschließend mustert mich das Mäuschen mit großen Augen als wollte es mich fragen, ob das wohl der Beginn einer Freundschaft wäre. Wie schade, dass ich sie enttäuschen muss. An der Gelassenheit einer Pippi Langstrumpf, die ihre Maus ins Haus lässt und mit Käse belohnt, mangelt es mir und eine Käfighaltung für halbzahme Wildmäuse ist für sie im wahrsten Sinne todlangweilig. So degeneriert ist ihr kleines Gehirn noch nicht, dass sie die Bequemlichkeit dem freien Leben vorziehen würde. Sie ist der Jerry unter den Mäusen und spiegelt ihre Selbstsicherheit als Supermaus in der Metallfläche des Topfes, in dem wir sie gefangen hielten, bevor wir sie weit weg im Wald aussetzten. Nun kleine Maus: Lebe wild und gefährlich!

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Kommentare: 2
  • #1

    Ammo (Freitag, 06 September 2019 18:08)

    Tolles Foto!

  • #2

    Eli (Sonntag, 08 September 2019 07:17)

    Es war die Katze- soweit ich weiß - nicht der Hund, die sich selbst domestizierte. Weiße Mäuse haben aufgrund eines Gendefekt weißes Fell - und weniger Scheu vor allem. Sie besucht euch bestimmt noch öfter :)