Hinter tausend Bildern eine Welt

Eine solche Pilzschwemme habe ich seit vier Jahren nicht erlebt. Überall schießen sie aus dem Boden. Kaum ein Tag vergeht, an dem ich nicht wenigstens ein paar fürs Abendessen pflücken kann. Und noch nie sah ich so viele Fliegenpilze - leibhaftig - nicht als Nachbildung oder Abbild eines Glückbringers. Als würde ich die wirkliche Welt hinter den Bildern entdecken und feststellen: Es gibt sie noch. Die Kuh hat keine lila Flecken und die Glückspilze gehören in den Wald, nicht auf Geschirrtücher, Glückwunschkarten, Gießkannen und  Schokoladenpackungen. Ich will die vielen Bilder und all die Informationen aus zweiter Hand nicht mehr, die mir jeden Tag vor Augen führen, wie groß die Diskrepanz zwischen dem von mir selbst erworbenen, ganz eigenen Wissen und dem durch die Medien vermittelten ist, will mich nicht zugunsten des Scheins aus der mir direkt zugänglichen Welt, die ich verstehen und beeinflussen kann, herausziehen. All die Geschichten, ich kann sie nicht prüfen, bin nicht auf Kriegsschauplätzen und bei politischen Versammlungen, in Labors oder Thinktanks, weiß nicht, was in Hinterzimmern ausgeheckt wird und wohin das große Geld fließt. Ich soll glauben und vertrauen und meine Ansichten nach dem Strom richten und weiß doch, dass in der Welt des Geschäftes nichts zufällig geschieht. Der Kapitalismus verleibt sich ein, was er bekommen kann und verwandelt alles in konzentrierte Macht, ob es Bäume sind oder Begeisterung, Krieg, Klima oder Kleinmut, Arbeit, Angst oder Aktien. Man müsste ihn aushungern, ihm die Nahrung vorenthalten, nicht mitmachen wie die drei Affen, die nach Konfuzius nicht hören und sehen, was nicht den Gesetzen der Schönheit entspricht, die nicht reden und tun, was der Menschlichkeit zuwiderläuft - sich rausziehen und statt dessen raus ziehen in die echte Welt, einen Glückpilz suchen und an ihn glauben.  

 

          

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Kommentare: 1
  • #1

    G (Samstag, 12 Oktober 2019 04:09)

    Glückspilz heißt er, weil sein Verzehr in rauschhafte Zustände versetzt