Unbezahlbar

Auf dem Land gibt es viele Möglichkeiten, sich ohne Geld durchzuschlagen. So gehe ich beispielsweise in diesem Herbst jeden Morgen in die Pilze und kehre mit einem Korb voller Maronen, Stein-, Butter- und Birkenpilzen, Hexenröhrlingen und Ziegenlippen heim und schmore sie mit gestoppelten Zwiebeln zu Kartoffeln vom abgeernteten Feld. Ein solches Essen wird nie langweilig, weil man die Freude an jedem Fund mitisst. Und wenn ich dann die duftenden Pilze in der Pfanne schwenke und weiß, dass sich darin Kostbarkeiten befinden, die auf dem von uns früher oft besuchten Berliner Winterfeldmarkt leicht einen Stundenlohn kosten, kann ich mein Glück kaum fassen. Auch wenn ich streng genommen kein gutes Geschäft gemacht habe, denn ich bin mit der Suche weit länger als eine Stunde beschäftigt. Aber das Leben ist eben kein Rechenexempel und der Zauber der morgendlichen Stille im Wald mit dem zufriedenen Hund an der Seite ganz unbezahlbar. Ähnlich ergeht es uns mit dem Brennholz für den Winter. Knüppelholz gibt es in der Nachbarschaft geschenkt. Wir müssen es nur abholen und den Dank dazu. Wertvolles Stammholz dagegen erarbeiten wir uns. In diesem Fall durch Aufräumarbeiten bei einer Nachbarin, mit der uns eine unkomplizierte "Eine-Hand-wäscht-die-andere-Beziehung" verbindet. Es kostete uns viele Stunden schweißtreibender, schmutziger Arbeit, das - nach dem Fällen der zwei sich bedenklich gen Haus neigenden Kiefern - verwüstete Grundstück wieder herzurichten und weitere Zeit wird es Werner kosten, die Holzklötze vor unserem Tor mit der Axt in Scheite zu spalten. Hat sich der ganze Aufwand "gelohnt"? Hätte man es sich nicht leichter machen können mit einer Fuhre gelieferten Brennholzes, statt selbst Hand anzulegen? Oder ist es wichtiger, dass wir uns immer wieder gegenseitig Gefallen erweisen und sie auch dankend annehmen, aufeinander verwiesen und angewiesen bleiben, so dass wir uns auch weiterhin zu fragen trauen, wenn wir ihr Auto oder ihren Hänger brauchen oder sie einen Haarschnitt und einen reparierten Zaun? Dass wir geübt Eier mit Gardinenaufhängen verrechnen und gewonnenes Hundefutter gegen Fahrdienste tauschen, könnte sich als die bessere Lebensversicherung herausstellen. Denn ob wir immer Geld haben werden, um zu kaufen was wir wollen und Dienstleistungen zu bezahlen, die wir benötigen, das wissen wir nicht, eine Klüngel- und Arbeitsbeziehung wie diese dagegen ist Gold wert und im Nebeneffekt noch äußerst unterhaltsam, denn wie jede schwäbische Hausfrau weiß, im Treppenhaus auf den Besen gestützt plaudert es sich am allerbesten.       

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Kommentare: 1
  • #1

    G (Mittwoch, 16 Oktober 2019 22:29)

    Besser geht nicht!