Warum die Bäume im Herbst ihre Blätter verlieren, das wissen wir aus der Schule. Das war doch diese Sache mit der Energieeinsparung und der Schneelast und dergleichen?! Für die meisten erschöpft sich das Wissen dann bereits und auch bei mir ist es nur diffus vorhanden. Da leben wir jeden Tag mit diesen riesigen alten Geschöpfen in unserem Garten und verstehen doch so wenig von ihnen. Aber unsere zwei Buchen machen mich darauf aufmerksam, dass auch die Fauna voller Persönlichkeiten steckt. So hat sich die eine Buche bereits umsichtig ihr Herbstkleid angelegt. Sie spürt dem Winter ahnungsvoll voraus. "Wat mutt dat mutt", scheint sie zu denken und zelebriert den unabwendbaren Abschied von ihren Blättern lieber früher als später. Die andere dagegen trägt ihre Krone noch immer optimistisch grün. Ob aus Erfahrung oder guten Mutes, sie glaubt nicht, dass der Winter sie überraschen kann, hält die Nährstoffe in den Blättern gespeichert und tankt optimistisch weiter Sonne für die kalte Jahreszeit. Als würde sie ihre ganze Kunst und Taktik darauf verwenden, erst im letzten Moment abzutauchen - so spät wie möglich, aber gerade früh genug. Wie eine Turmspringerin, die ihren kurzen Fall in bewundernswürdiger Präzision mit Saltos und Schrauben füllt und doch - kurz über der Wasseroberfläche - sauber ins Wasser gleitet. Und auch bei einigen Tieren lässt sich dieser sportliche Ehrgeiz, diese Könnerschaft, diese lustvolle Schalkhaftigkeit finden, mit der sie in Gewissheit ihrer Wendigkeit einen Feind noch recht nah an sich herankommen lassen, bevor sie eichenhörnchenflink den Baum empor huschen oder krähendreist sich in die Lüfte schwingen. "Soll der Winter ruhig kommen, ich bin doch schneller" ... so ist sie, unsere grüne Buche. Und die bunte? Vielleicht war sie einmal wegen ihrer Zögerlichkeit oder eines überraschenden Wintereinbruchs dem Tode nahe, hat sich von diesem Schrecken nie erholt und hütet sich nun vor dem Spiel auf Zeit.
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