Vor lauter Bäumen

... sieht man den Wald nicht. Man könnte sich fühlen wie Rilkes "Panther", "der vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, als ob es tausend Stäbe gäbe und dahinter keine Welt". Als würde er zwischen Bäumen wandern und da wär kein Wald, in dem er geht. Unverbunden, getrennt von ihm. Eine Ansammlung von Bäumen macht noch keinen Wald und schöne Worte allein keine Poesie. Da wächst was über sich hinaus, das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Interpretiert man das Gedicht auch fach- und sachgerecht, es flieht eher die Berührung. Es will ahnungsvoll getragen werden, erinnert, verzweifelt gesucht. Oder losgelassen werden für einen anderen, der es braucht. Seine Würde aber sollte unantastbar bleiben. Es zu sezieren tötet seinen Zauber, der Funke erlischt in ihm wie das Leben in einem bestrahlten Reiskorn. Und der Wald? Für uns nur ein entzaubertes Gedicht, eine Plantage zur Holzgewinnung, ein Freiluftgehege für gekirrtes Wild. Die große Idee, das Metawesen Wald, es verkümmert wie Rilkes Panther in seinem Käfig. Und wir ohne Wald und Welt hinter den tausend Stäben? Wir sind "ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht".

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0