Es gibt kein Verbot

Dem Lumpengesindel, das ich vor knapp zwei Jahren zwischen die Äste unserer Eiche hängte, fielen inzwischen buchstäblich die Kleider vom Leib. Darum habe ich sie ausgezogen, frisch herausgeputzt und ihnen im Kirschbaum einen neuen Platz zugewiesen. Von dort haben sie einen anderen Blick auf die Welt. Denn der Kopf ist wohl rund, damit das Denken seine Richtung ändern kann, ohne Perspektivwechsel aber dreht es sich trotzdem nur im Kreis. In diesem Sinne dürfen wir recht froh sein, dass es trotz erwiesener Gefahrenlage noch "kein Verbot für alte Weiber gibt, auf Bäume zu klettern". So können auch wir uns jederzeit einen anderen Blickwinkel verschaffen. Je mehr wir stattdessen alle Risiken meidend auf Abstand gehen zum echten Leben, je mehr wir auf Sicherheit setzen statt auf Mut, Freude und Unbekümmertheit, desto schneller ebnen wir den Weg in eine neue Normalität, in der bald niemand mehr vermisst, was nicht sein darf. Der Mensch gewöhnt sich an alles, sagt man, und schon jetzt scheint die bereitwillige Anpassung vieler an die vorgeblichen Ausnahmen dies zu bestätigen.

Sind dann erst die bisher nur gendergerecht korrigierten Bücher auch noch coronadistanziert umgeschrieben, die wunderbaren Helden und Heldinnen aus den Kinderbüchern der Astrid Lindgren, die uns alten Weibern mit dem obigen Zitat das Bäumeklettern schmackhaft machte, auf hygienisch digitale Abenteurer zurechtgestutzt, weiß niemand mehr, dass es einmal anders war. Und auch ich werde dann irgendwann nicht mehr auf Bäume klettern ... wenn die Behandlung des Beinbruchs danach mit Verweis auf den Verstoß gegen die mir doch in allerbester Absicht auferlegten Kletterbeschränkungen, unversichert bleibt. Da pflücke ich 'ganz freiwillig' nur noch die leicht erreichbaren Kirschen und verdränge, dass oben die süßesten hängen.            

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