Zufluchtsort

In Berlin haben sich die Anträge auf Kleingärten vervierfacht. Ebenfalls gestiegen ist die Nachfrage nach Hochbeeten. Und auch in unserer Waldsiedlung gehen die Grundstücke weg wie warme Semmeln. Das ist die unerwartete und erfreuliche Nebenwirkung einer Krise, in der viele Menschen aus ihrem gewohnten hektischen Treiben herausgerissen und mit der teilweisen oder vollständigen Freistellung von der Arbeit zu der erschreckenden Erkenntnis gelangen mussten, dass das, was sie bisher den Tag über trieben, nun scheinbar verzichtbar ist und damit - zumindest systemisch - sie selbst überflüssig. In Zeiten so grundsätzlich erfahrener Verunsicherung kann sich "glücklich schätzen, wer einen Kleingarten hat: eine sichere grüne Oase und zugleich ein Zufluchtsort vor einem nach wie vor beschränkten Alltag" heißt es auf der Seite des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde. Und mehr noch: Wem die eigene Bedeutungslosigkeit durch das Wegfallen seiner Erwerbsarbeit derart anstands- und herzlos vor Augen geführt, wer von heute auf morgen auf Eis gelegt wird, der braucht einen stillen, geduldigen, einen schönen Ort, an dem er das Gefühl der Abhängigkeit abschütteln kann, sich wieder selbstmächtig erleben darf und wo die Kränkungen, die er hinnehmen musste, verheilen können. Ein Garten kann ein solcher Ort sein und wenn immer mehr Menschen sich auf diese Weise ausrichten und neu verwurzeln, sich dem kapitalistischen Treiben entziehen, könnte sich das zu einer mächtigen Bewegung entwickeln, die eine Wende einläutet. Warum auch nicht? Alles ist möglich und "nichts mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist". (Victor Hugo)         

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Kommentare: 1
  • #1

    Ammo (Donnerstag, 04 Juni 2020 18:20)

    Das sieht ja super schön aus!