
Ein Haus kann groß oder klein sein. So lange die Häuser in der Nachbarschaft genau so klein sind, ist es vollkommen ausreichend. Wenn aber neben einem kleinen Haus ein Palast entsteht, wird das kleine Haus zur Hütte. (Karl Marx) Gut, dass die Miniaturhochhäuser in unserem Garten nicht wissen, dass sie im Schatten weit mächtigerer Gebäude stehen, auch wenn es wie in diesem Fall nur ein rot gestrichenes Blockhäuschen ist, das - von zwei recht genügsamen Gesellen bewohnt - über ihnen thront. Unwissenheit ist keine Zier, schützt sie aber vor unnützer Strebsamkeit und den herben Verletzungen des Gerechtigkeitsempfindens. So bewahren sie in aller Unschuld eine Gemütsruhe, die wir uns erst per Einsicht erarbeiten mussten - unterstützt allerdings durch eine weise Gesetzeslage, die die Errichtung von Palästen in unserer Waldsiedlung verhindert. In relativer Gleichheit lebt es sich hier mit ebenfalls zur Bescheidenheit verpflichteter Nachbarschaft deshalb wie auf einer seltenen Insel der Glückseligen. Und nur die wenigen immer protzigeren Paläste irgendwo in dem Meer von Hütten, die zu Baracken werden, riskieren, den herrschenden Gleichmut überall zu vertreiben.
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Gerlinde (Samstag, 11 Juli 2020 02:15)
Gleichheit ist nicht Gerechtigkeit!
Anja (Samstag, 11 Juli 2020 07:53)
Auf kritische Denker wie Dich war ich vorbereitet mit dem Ausdruck "relative Gleichheit" :-). Unterschiede darf und muss es geben, weil sich in einem freien Land mit vielen verschiedenen Menschen die Lebensentwürfe unterscheiden. Damit können die meisten (Du und ich ja auch)gut umgehen. Worauf ich abzielte, und da bist Du sicher meiner Meinung, dass ein System unanständig ist, das himmelschreiende Ungleichheit ermöglicht, die auf der einen Seite zu immer mehr schuldloser Verarmung, auf der anderen Seite zu obszönem Reichtum führt. Aber auch die "kleineren" Unterschiede können das Gerechtigkeitsempfinden schon empfindlich stören und den Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährden. Beispiele dazu fallen wohl allen aus dem Stegreif ein ...