
Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir. Wer jetzt denkt, ich müsse mich getäuscht haben, da den meisten von uns der Spruch wohl nur mit umgekehrten Vorzeichen als Durchhalteparole aus Kindertagen in den Ohren klingelt, der hat nicht mit der Weisheit eines alten Römers gerechnet. Was nach aufmüpfiger Erkenntnis eines neuzeitlich dauererschöpften Oberstufenschülers klingt, ist tatsächlich der Stoßzeufzer des Philosophen Seneca, der schon vor rund zweitausend Jahren beklagte, dass sich "an überflüssigen Problemen die Schärfe und Feinheit des Denkens abstumpft und es besser wäre, wir könnten unserer gelehrten Schulbildung einen gesunden Menschenverstand abgewinnen." An überflüssigen Problemen hat sich womöglich auch die Schärfe meines Denkens abgestumpft wenn ich mich der unzähligen Schulstunden erinnere, die ich bar jeglicher Leidenschaft mit chemischen Formeln und der höheren und noch höheren Mathematik verbrachte. Hätte ich doch statt dessen etwas "Vernünftiges" gelernt, z.B. welche Krankheiten Kartoffeln entwickeln können und wie man damit umgehen muss. Das hätte einen praktischen Nutzen und die Erkenntnis, dass Unwägbarkeiten zum Leben gehören und dass man ihnen am besten zu Leibe rückt, indem man sich vielseitig aufstellt und anpassungsfähig bleibt. Ist die Kartoffelernte hin, weil ein Phytophthora infestans erst dem Kraut und danach den Kartoffeln zu Leibe rückt, muss man erstens die kümmerliche Ausbeute ganz schnell ernten, zweitens die gelungenen Möhren bejubeln und sich in der Folge an den Pastinaken und geringelten Beten schadlos halten. Hätte ich darüber hinaus statt all zu viel Physik noch etwas mehr, vor allem aber lebendigeren Geschichtsunterricht gehabt, hätte ich auch schon früher am Beispiel der großen Hungersnot in Irland lernen können, wie verheerend sich Krankheiten in Monokulturen ausbreiten und wie tödlich die Folgen für die von der Gnade ihrer Grundherren Abhängigen sein können. Das wären mal Lehren fürs Leben gewesen!
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Ursula Kukureit (Dienstag, 04 August 2020 17:08)
Hallo liebe Anja, da haben wir dieselben Probleme. Durch die Krautfäule besteht meine Kartoffelernte großenteils aus sehr kleinen Kartoffeln. Ofenkartoffeln sind d i e Lösung!