Ehrenmale

Ein Kürbisleben währt einen ganzen Sommer und ist angefüllt mit Sonnenschein, Bewunderung, hilfreichen Besuchen von Bienen und Schmetterlingen und ungebremster Neugier auf diese schöne Welt. Auf Wanderschaft schlängelt er sich in alle Richtungen durch unseren Garten; Stock und Stein überwindet er und selbst was ihm im Wege steht dient ihm - zum Aufstieg in luftige Höhen, von wo aus er seinen großen leuchtend gelben Blüten triumphierend den Weitblick ermöglicht. So tut ein Kürbis, was ein Kürbis tun muss. Eigen-sinnig ist er, zum Gehorsam nur sich selbst gegenüber verpflichtet. Hermann Hesse hat dafür nur lobende Worte: "Einen eigenen Sinn hat jedes Ding auf Erden. Jeder Stein, jedes Gras, jede Blume, jeder Strauch, jedes Tier wächst, lebt, tut und fühlt lediglich nach seinem eigenen Sinn, es trägt sein eigenes Gesetz in sich und folgt ihm vollkommen sicher und unbeirrbar."

In diesem Sinne: Lebe wild und gefährlich kleiner Kürbis, gehe unbeirrbar Deinen Weg und wenn dir dabei scharfe Mausezähne Wunden schlagen, dann schließe sie mit Schorf und trage sie als Ehrenmale, die dem sicherheitsverwahrten Gemüse aus dem Treibhaus verwehrt bleiben.    

Und der Mensch? Er ist nach Hesse "dazu verurteilt, nicht der Stimme des Lebens und Wachstums zu folgen, sondern irgendwelchen Gesetzen, die von Menschen aufgestellt sind." Und nur "jene wenigen, welche die willkürlichen Gesetze missachteten, um ihren eigenen, natürlichen Gesetzen zu folgen, zeigen den Millionen ..., daß der Ungehorsam gegen Menschensatzung keine rohe Willkür sei, sondern Treue gegen ein viel höheres, heiligeres Gesetz. Der menschliche Herdensinn fordert von jedermann vor allem Anpassung, seine höchsten Ehren aber reserviert er keineswegs den Duldsamen, sondern den Eigensinnigen, den Helden."

Meist allerdings postum.

 

 

 

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