Übern Berg

Drei Tage Wintermärchen und die Welt verzaubert. Ein poetisches Zufallsbild lässt tiefer blicken: Mond und Fledermaus, ein Stecken in festen Händen und ein märchenhaftes Wesen aus Eis.
Drei Tage Wintermärchen und die Welt verzaubert. Ein poetisches Zufallsbild lässt tiefer blicken: Mond und Fledermaus, ein Stecken in festen Händen und ein märchenhaftes Wesen aus Eis.

Irgendwann in den letzten Wochen überkam mich das Gefühl, ich wäre von einer langen Krankheit genesen. Mit einem Mal hörte ich mich sagen: "Ich bin übern Berg." Und indem ich es aussprach wurde mir klar, dass es keine Krankheit war, an der ich gelitten hatte, es war Trauer um das Verlorengegangene. Die Gesellschaft als ganzes, aber auch jeder Einzelne musste im letzten Jahr Abschied nehmen. Im mildesten Fall hat das weh getan, im schlimmsten wurden die Grundfesten des guten Glaubens erschüttert, massive Ängste geschürt, Einsamkeit ertragen, Depressionen erlebt. Viele wurden in materielle Not gestürzt, Leid und Krankheit in unterschiedlichster Gestalt herbeigeführt. Das sind keine Kleinigkeiten, die sich mit freundlichen Durchhalteparolen aus der Welt schaffen oder durch noch aus Kindertagen bekannten Phrasen wie "stell' Dich doch nicht so an", "ist doch nur zu Deinem Besten", "denk mal nicht immer nur an dich selbst" relativieren lassen und so einer bewussten Aufarbeitung des Erlebten im Wege stehen. Wir haben gute Gründe zu trauern und damit das Recht, den Verlust, der mit der "Neuen Normalität" euphemistisch zu Grabe getragen wurde, als Schock zu erleben. Wir dürfen Fragen stellen und zornig sein, um im letzten Schritt der Bewältigung das Vergangene integrieren zu können, wieder Kraft und Mut zu schöpfen und einen neuen Selbst- und Weltbezug zu finden. Wir sollten wieder weicher und wärmer werden, weinen und traurige Musik hören und dann fröhliche und Schneemänner bauen und Schlitten fahren und - weil die Sonne so herrlich im Schnee glitzert und so warm ist - jedem ins Gesicht lachen und finden: So ein Tage, so wunderschön wie heute ... Wir sollten aufhören zu sagen, "Ist doch alles halb so schlimm", denn es ist schlimm, aber es ist auch noch nicht aller Tage Abend. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Ebeling, Monika (Donnerstag, 25 Februar 2021 10:26)

    Oh Anja, du bist wieder online. Ich habe immer nach deinen inspirierenden, tröstenden Worten gesucht. Wir sind Rentner und sind so froh, die Sorge um einen Arbeitsplatz nicht haben zu müssen. Ich bin auch sehr beunruhigt über diese Entwicklung. Ich hoffe es entsteht etwas Gutes daraus. Krise ist ja immer auch nötig für einen Wandel. Mir gehen immer viele Fragen durch meinen Kopf und dann muss ich mich wieder zurück ins Heute bringen. Heute scheint die Sonne so warm und wohlig für uns alle. Die werde ich jetzt genießen und Kraft tanken.
    Von Herz und Herz verabschiede ich mich jetzt. Monika

  • #2

    Anja (Donnerstag, 25 Februar 2021 17:05)

    Liebe Monika, was für ein einfühlsamer und aufbauender Kommentar! Ich danke Dir! Schon einmal fragte ich mich, ob wir uns kennen ... Liebe Grüße Anja

  • #3

    Ursula Kukureit (Dienstag, 02 März 2021 10:08)

    Liebe Anja, wie schön, daß du uns wieder teilhaben läßt an deinen aufbauenden Gedanken..
    Liebe Grüße sendet Ursula