
Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Das ließ Goethe seinen Faust sprechen und wir, die letzten ihrer Art, die Älteren von uns, die Vor2020iger, die kennen es noch: Gewimmel, Gedränge, Geselligkeit ... in Parks, am Rheinufer, in der Altstadt, in Cafés, beim Lieblingsitaliener, in Kneipen und Biergärten. Die Freiheit zu gehen, wohin es einen zieht, zu treffen, wen man will, zu verweilen, wo man möchte. Meine wildesten, intensivsten, bedeutendsten, lehrreichsten Zeiten habe ich an solchen Orten verbracht mit Menschen, die mir wichtig waren. Noch heute sind es Sehnsuchtsorte, die mich fühlen lassen, ich bin nicht nur Oberfläche und Funktion, ich bin Tiefe und Ungeahntes und ... ich bin nicht allein. Nun werden solche besonderen Kraftorte zu "Verweilverbotszonen" erklärt. Der Augenblick, er darf sich nicht mehr dehnen, nicht ausgekostet werden, nicht Kraft und Freude schenken. Entstehen soll der vorübergehende Mensch, der nichts mehr halten kann, nichts vertiefen, der gleichgültig von Eindruck zu Eindruck wechselt und allein ist.
Ich bin traurig und ich habe Angst um uns. Ich beschwichtige mich nicht mehr, keiner sollte das tun. Es ist Frühling. Wir wollen lebendig sein und fröhlich, wir wollen Bilder wie oben nicht mehr als Anachronismus wahrnehmen und ich will mich nicht mehr fremdschämen müssen für Unwörter wie Verweilverbotszonen. Wörter, die in die Geschichte eingehen und uns von späteren, wieder zur Vernunft gekommenen Generationen als Spiegel vorgehalten werden.
Kommentar schreiben