
Gut, dass Geflügel, Schaf und Rind sich weder von Warnhinweisen noch von Stellwänden mit Abbildungen zähnefletschender Wölfe auf ihren Weiden in Angst und Schrecken versetzen lassen. Ich allerdings werde angesichts solcher Plakatierung wach, denn sie soll ja mich erreichen und nicht das liebe Vieh. Dass der Wolf schon lange wieder unter uns ist, das war mir bewusst, dass Schäfer und Bauern ihn nicht willkommen heißen auch, dass das Thema inzwischen aber zu einer massiven Polarisierung geführt hat, erlebe ich erst jetzt. Und so bin ich als Angesprochene - zumindest im stillen Kämmerlein - gefordert, mir eine Meinung zu bilden. Wohlweislich bilden, nicht haben oder voreilig übernehmen, weder der Stimmungsmache der einen noch der anderen Seite erliegen, sondern Für und Wider abwägen, den Gedanken drehen und wenden und Fakten zusammen tragen. Vielleicht ist alles eben doch nicht so einfach, wie ich es gerne in kleinmädchenhafter Heileweltmanier erzwingen möchte. Vielleicht ist Willkommenskultur für den Wolf doch nicht überall richtig, auch wenn ich es mir noch so schön vorgestellt hätte. Dass unser Nachbar, ein bodenständiger Landwirt, der bisher nicht durch tollkühne Aktionen aufgefallen ist, einer Wolfsberaterin im Kreis den Kadaver seines in der Nacht gerissenen Kälbchens vor die Haustür legt, lässt jedenfalls ahnen, dass da eine rote Linie schon vorher überschritten gewesen sein muss. So kann es mit Gesetzen und Verordnungen gehen, die - in unterstellter allerbester Absicht getroffen - an der Lebenswirklichkeit der Menschen scheitern. Dann müssen die, die die Gesetze machen, die, die sie ausführen und die, die unter ihnen leiden, reden. Am Besten von Angesicht zu Angesicht ohne Schreibtisch als Bollwerk dazwischen. Und Männer wie unser Nachbar werden das Gespräch bekommen, weil sie nicht aufgeben. Und auch wenn mich die archaische Methode verschrecken mag, so muss ich doch anerkennen: Mit solchen Kerlen muss man rechnen, die stehen für ihre Sache ein. Ich wünschte mir mehr dieser Sorte. Dann würden auch einige andere lebensfremde Maßnahmen an der Wirklichkeit scheitern.
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Ursula Kukureit (Montag, 29 März 2021 17:08)
Liebe Anja, das hast du wieder wunderbar formuliert. Ich denke auch, daß man sich unbedingt Gedanken machen muß, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist für unser doch recht dicht besiedeltes Land.