Wie geschaffen für diese Welt

Solange meine Gedanken die Grenzen unseres Gartens und seiner nächsten Umgebung nicht verlassen, ist die Welt in bester Ordnung. Der Herbst zeigt sich von seiner schönsten Seite, ist mild und freundlich, die Sonne scheint noch warm. Unsere großen Buchen leuchten golden und überziehen den Boden zu ihren Füßen mit einer raschelnden Pracht, die ich in stundenlanger meditativer Arbeit zu luftigen Bergen auftürme. Dann radle ich mit unserem Hund im Schlepptau die abgeernteten Äcker ab, halte Ausschau nach vergessenen Reihen am Feldrain und kehre mit Beuteln voll Zwiebeln und Kartoffeln heim. Möhren und Rote Bete stecken noch in der Erde, aber immer finden sich auch welche, die am Rand versteckt im Unkraut wachsen, so dass ich sie ohne schlechtes Gewissen herausziehe und mit dem unvergleichlich guten Duft der frisch geernteten Rüben in der Nase nach Hause fahre. Was ich nicht sammel, bringt Werner vom Bauern mit. Rot- und Weißkohl z.B., sie haben Saison und die sechs je drei Kilo schweren Köpfe, die Werner anschleppte, schnippelte ich, gemütlich auf der Terrasse sitzend, an zwei Nachmittagen klein und setzte sie in den 20-Liter-Fässern milchsauer an. Ein Körbchen voll Hagebutten entlang der Wege geerntet und im Gegensatz zur brachialen Kohlverarbeitung in diffiziler Kleinarbeit zerschnitten und von ihren Kernen befreit, füllt ein weiteres, aber neben seinen großen Brüdern winzig kleines Gärgefäß. Der Winter könnte nun kommen. Wir sind gut vorbereitet ... wenn denn auch unsere Baustelle so zügig vorankäme, oder die Kälteperiode sich noch etwas hinauszögern ließe, damit wir die ersten knackig kalten Tage bereits im neuen wärmeren Haus am großen Lehmofen verbringen können. Immerhin treiben wir die Arbeit in jeder freien Minute voran und mausern uns dabei vom kompletten Laien zum Hilfswilligen mit rudimentären Talenten. Und dabei stelle ich einmal wieder voller Bewunderung fest, wie vortrefflich wir Menschen gemacht sind mit Händen, die so viel können: Lehm verstreichen, Hunde kraulen, Hagebutten zerteilen, Kohlköpfe schlachten, Blätterberge aufsammeln, Holz hacken, Möhren herausziehen, Kartoffeln ausbuddeln, schreiben und malen, Häuser und Möbel bauen. Ich bin wirklich nicht davon überzeugt, dass es eines verbesserten, mit der Maschine verschmolzenen und an der digitalen Leine gehaltenen Übermenschens in einem transhumanistischen Zeitalter bedarf. Im Gegenteil: Mir scheint, wir sind wie geschaffen für diese Welt. 

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