
Alle wollen zurück zur Natur. Wir auch. Dabei gehen wir am liebsten den direkten Weg. Das heißt für uns z.B. beim Essen: lieber ein Suppenhuhn vom Nachbarn und heimisches Gemüse als stark verarbeitetes Soja, das ein Schnitzel mimt. Den geraden Weg haben wir auch bei der Sanierung unseres Gästehäuschens genommen, in das wir nun bald umziehen können. Lieber ein aus regionalem Lehm gebauter Grundofen, als ein vom Staat geförderter Pelletofen mit WLAN-Funktion. Lieber Hanf, Holz, Lehm und Zellulose statt zertifiziertem Dämm- und Baumaterial für das Null-Energie-Haus. Lieber Gänseblümchen und Kurkuma für die Wände, als ein Kunstprodukt mit Ökosiegel. Gänseblümchen und Kurkuma? Die Farbe für die bisher dunkelbraun gelehmten Wände, die uns beim Eintritt ins Haus das Gefühl gaben, eine Erdhöhle zu betreten, mischen wir selbst an. Die Grundlage der Trockenmasse besteht aus Lehm, dem weiße Pigmente zugesetzt sind, und die den poetischen Namen Gänseblümchen trägt. Mit Wasser verrührt und mit einem dicken Pinsel kreuz und quer auf die in Handarbeit geglätteten Wände aufgetragen bewirkt der Gänseblümchenbrei eine erstaunliche Veränderung in unserer Höhle. Mit jeder frisch gestrichenen Wand, mit jedem weißen Streifen Decke zwischen den Holzbalken wird das Haus heller und luftiger. So geht es Stück für Stück voran. Ich bin entzückt und sitze abends bei Kerzenschein mit dem Rücken in die warme Kuhle des noch unfertigen, aber bereits funktionstüchtigen Ofens geschmiegt und bewundere das Werk der vielen Hände. Und kaum sind wir aus dem gröbsten raus, denken an Einrichtung, Deko und Gemütlichkeit, da erwacht auch schon der auf Eis gelegte und nur dem pragmatisch Notwendigen verpflichtete kreative Geist in mir und flüstert: Wie? Alles nur weiß? Wie langweilig! Da ist was dran und deshalb scheren wir mit einer Ecke neben dem Ofen und dem Badezimmer aus und trauen uns an gelb heran. Die mutige Idee dazu hatten wir am Wochenende und da bunte Pigmente am Sonntag nicht zu beschaffen sind, habe ich aus einer Eingebung heraus Kurkuma genommen, mit heißem Wasser aufgegossen und unter den weißen Lehmbrei gezogen. Das Ergebnis überzeugte und das kleine Bad - ruckzuck in wenigen Stunden gestrichen - erstrahlt nun in zartgelben Tönen, die ganz ausgezeichnet mit den leinölbehandelten und deshalb goldgelben Fußbodendielen harmonieren. Ich ahne schon jetzt, dass ich auch noch mit den anderen Farbnuancen, die die Natur uns schenkt, Akzente setzen werde: Vielleicht Möhrenorange für die Küchenwand hinter der Arbeitsplatte, Rote-Bete-Rot als feiner Streifen zur Betonung des gelb gestrichenen Bereichs neben dem Ofen, Brennesselmintgrün zur Entspannung in der Hundeecke ...
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Monika Ebeling (Mittwoch, 12 Januar 2022 08:48)
Guten Morgen, liebe Anja. Oh, das ist ja eine Freude bei der Gestaltung in Gedanken mit zu gehen. Ich kann mir das richtig vorstellen. Und es ist eine wunderbare Arbeit um dem Häßlichen im Moment zu entkommen. Wenigstens für eine Weile.
Wann macht ihr denn eine Führung für Träumende?