Was glaubst Du?

Die Hardau im letzten Winter
Die Hardau im letzten Winter

Vielleicht sollte man sich jeden Tag eine große Frage stellen. Aber wer besitzt schon die Disziplin, über eine selbst gestellte kluge Frage in einer Weise nachzudenken, dass die Antwort ausgereift in passende Worte gekleidet vor einem steht, als würde sie einen anschauen und zurück fragen: So meinst Du das also? Dazu stehst Du? Meist schweift man schnell vom Thema ab und wendet sich vermeintlich wichtigeren (Alltags-)Dingen zu. Schade! Denn eigentlich sind es die großen Fragen und der Versuch eine Antwort auf sie zu finden, die das Menschsein ausmachen. Wir ehren die Lehren der Denker und Dichter. Wir ehren sie ganz offiziell in Schule und Studium, in Kirche und Museum. Im täglichen Leben dürfen ihre Erkenntnisse dennoch keine Rolle spielen, denn der gute, der edle Mensch mit seinen hehren Ansichten scheint uns eine naive Gestalt in einer Welt des Pragmatismus. Und so sind wir gesellschaftlich in einer Double-Bind-Situation gefangen - doppelt gebunden an gegensätzliche, unvereinbare Ansprüche und damit gemeinsam auf dem besten Weg in eine Psychose. Doppelbindung macht buchstäblich verrückt, führt in die Irre. Helfen kann da nur ein klarer Verstand und nüchterne Bestandsaufnahme. Wer will ich sein? Was soll mich leiten? Aber wer stellt einem dafür schon die richtigen Fragen, die großen Fragen? Wer Glück hat, dem schickt es ein Kind als personifiziertes Über-Ich. Meines überreichte mir feierlich eine soeben fertiggestellte Karte mit den Worten: Aber erst später anschauen. Ich versprach es und eine Antwort noch dazu. Zu Hause las ich den in sorgfältig gemalten Buchstaben verfassten Satz: Was glaubst Du?

Fragen, die einem zufliegen, muss man schon um seiner selbst Willen Aufmerksamkeit zollen, aber auch eine kleine, große Kinderseele verdient alle Mühe einer angemessenen Entgegnung. Also ging ich in mich, nahm die Frage mit auf meine Spaziergänge und in den Schlaf. Und irgendwann wusste ich eine Antwort, die auch ein Kind versteht und so schrieb ich auf eine Karte mit dem obigen Bild in meiner besten Blockschrift zurück:

Ich glaube, dass wir alle wie Wassertropfen sind - Du und ich, Mama und Papa, Oma, Opa und alles was lebt - und wir fließen zum Meer und das Meer heißt Gott.

Später wird sie etwas über den Wasserkreislauf lernen und wissen, dass wir nicht nur zu Gott gehen, sondern aus ihm kommend auch aus ihm bestehen.

Wenn man das glauben kann, dann wird man ganz ruhig. Dann kann einem nichts passieren, denn man ist dort, wo man schon immer gewesen ist - ganz egal, wo man als kleiner Tropfen gerade unterwegs ist.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Monika Ebeling (Samstag, 29 Januar 2022 17:15)

    Liebe Anja, du schaffst es mal wieder mich auf andere Gedanken zu schicken.
    Was ist gerade dran? Wo ist mein Platz. Vieles ist jetzt anders und muss gut in Stille durchdacht werden. Dann kommt eine Antwort wie von selbst. Wie gesagt, es geschieht nur in Stille bei einem Sparziergang, Zuhause in Verbindung mit einer Kerze, bei untergehender Sonne oder eben anders. Meine Gedanken drehen sich in dieser Zeit um die Frage bleibe ich oder gehe ich. In meiner geistlichen Heitmat finde ich keinen Halt mehr. Die Spaltung, die diese Kirche zuläßt macht mir eine Trennung auch einfach.
    Antworten finde ich in mir selbst, denn Gott wohnt in mir und weiß, dass er mich liebt mit all meinen Kanten und auch liebevollen Eigenarten. Ist das nicht wunderbar. Ich verlass mich auf meine Intuition und finde Menschen mit Herz. Also liebe Anja ich grüße dich von Herz zu Herz. Monika

  • #2

    Ursula Kukureit (Montag, 31 Januar 2022 09:15)

    Guten Morgen liebe Anja, guten Morgen liebe Monika Ebeling, was für ein schönes Bild du von uns Menschen und Gott zeichnest, der in dieser Welt überall in uns lebt und durch uns wirkt. Es tut mir heute besonders gut, deinen Blog und Ihren Kommentar zu lesen, da ich meine eigenen Gedanken in beidem wiederfinde. Zu meinem gestrigen Gottesdienstbesuch bin ich mit bangem Herzen gegangen. Lange habe ich überlegt, wie ich bei Kritik oder Abweisung am Eingang reagieren soll. Zu meiner Erleichterung wurde ich freundlich empfangen und konnte mich auf die Liturgie, die Musik(texte) und die Predigt eines auswärtigen Prädikanten einlassen und etwas gestärkt nach Haus gehen. Trotzdem bleibt mir die Frage, wie gehe ich mit der Haltung "meiner Kirche" zur aktuellen Politik um. Sie steht für mich im Widerspruch zur Botschaft Jesu. Alles Liebe, Ursula