
"Freiheit heißt, sich aussuchen zu können, wessen Sklave man sein will." Der Spruch eines unbekannten Verfassers begleitet mich seit Jahren bei jeder passenden Gelegenheit. Mal ganz ernsthaft, mal ironisch überhöht hält er mit vor Augen, dass kein Mensch völlig frei ist. Selbst der Bauer ist vom Wetter abhängig wissen wir. Mit einer anderen Konnotation könnte das Sprichwort auch lauten: "Privat sein heißt, sich aussuchen zu können, wer einen beobachtet." Nachbarn z.B. schauen uns kaum über den Gartenzaun, sehen nicht, wann wir aus und ein gehen oder wer uns besucht. Schon gar nicht bekommen sie mit, was wir in Haus und Hof treiben. Auch bei der Auswahl und Ausstattung unserer (Überwachungs-)Geräte, die uns orten könnten, unsere Schritte zählten, unsere Kontakte kennten etc. sind wir überaus penibel. Wir lieben unsere Privatsphäre und die Freiheit, die sie uns gewährt.
So gesehen sind wir mit unseren zwei "Selbstversorgern" Johann und Alma wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Nie hätten wir gedacht, dass sie ein solches Interesse an uns entwickeln könnten, uns
auf Schritt und Tritt folgen und jede Bewegung registrieren würden. Selbst wenn ich still am Tisch sitze, sehe ich Johann auf seinem Podest vor dem Wasserbassin stehen und sein eines Auge
unaufhörlich auf mich gerichtet. Bewege ich mich, stellt er fauchend seinen Kamm auf und wedelt mit seinem Schwanz als wollte er sagen: "Oh, wie schön, sie lebt!"
Bin ich beim Wachtelgehege, um mich eine Weile am lebhaften Treiben der kleinen Hühnervögel zu erfreuen, so stehen plötzlich, beinahe wie aus dem Nichts, ruhig, fast unbewegt Johann und Alma
neben mir und ... warten? haben Anteil? erforschen mich? Ich weiß es nicht. Aber ich sehe, sie haben unendlich viel Zeit, Interesse und Geduld. Vielleicht sind sie inkarnierte Anhänger der
platonischen Ideenlehre, die in allen Dingen die Substanz sucht: den Apfel an sich begreifen will, das Brot in seiner Bedeutung, den Menschen durch seine Aufgabe, die Anja? Ich jedenfalls könnte
durch sie den Kern der Lehre begreifen lernen. Die Ente an sich ist so viel mehr als nur ein Wasservogel, ein Nutztier, ein Eier-, Fleisch und Federlieferant. Werner erklärt es kurz und bündig:
"Sie gehören zur Familie", sie rücken uns näher und mehr und mehr erfühlen wir über das Leibliche hinaus ihr wahres Wesen.
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Doris (Dienstag, 08 November 2022 07:55)
Ihr habt sie in eure Gemeinschaft geholt und sie spüren das sie willkommen sind.... Es ist schön dazu zu gehören wo man sein möchte! LG aus dem Südharz