Mehlwürmer und Co., Klappe die II.

Als Kind besuchte ich eine von Ordensfrauen geleitete Schule. Unsere Klassenlehrerin hatte polnische Wurzeln, war groß, schlank, elegant und in ihrer Tracht für mich von unbestimmtem Alter. Sie war klug und gebildet, achtsam, besonnen und zugewandt. Was sie erzählte hatte Hand und Fuß. Ich mochte sie und nahm sie ernst. An eine Bemerkung von ihr erinnerte ich mich, als ich über das oben stehende Thema nachdachte. Sinngemäß lautete es wie folgt: Man kann Menschen demoralisieren, wenn sie sich nicht waschen dürfen. In welchem Kontext sie darüber sprach, weiß ich nicht mehr, aber vor Augen stehen mir elende Gestalten, Gefangene wohl. So hatte ich das noch nie betrachtet. Für mich stand Schmutz für viel Spaß draußen oder auch mal für lästige Gartenarbeit. Sauberkeit dagegen war mütterliches Diktat und später selbstverständliche Gewohnheit. Dass sich ein schmutziger  Körper schrecklich anfühlen, beschämend sein und demoralisierend wirken könnte und dass die durch andere ausgeübte Macht über die eigene Hygiene tatsächlich eine Grausamkeit darstellt, war für mich ein neuer Gedanke. Aber in dem Moment der Vorstellung begriff ich ihn vollständig. Wenn jetzt viel darüber geredet wird, dass wir uns darauf einstellen sollen, Insekten zu essen, dann muss ich ganau daran denken. Denn was ich esse, oder genauer, was ich eben nicht essen mag, ist wie Körperpflege auch eine höchst private und intime Angelegenheit und entscheident für mein Wohlbefinden. Wer mir daher im Ton moralischer Überlegenheit Waschlappen statt Duschen empfiehlt, wer warmes Wasser zu einem Luxusgut macht oder wer mir statt hochwertiger Nahrung minderwertige, noch dazu kulturfremde und mit Ekel belegte auf den Teller zu legen plant, der will die Menschen entweder bewusst demoralisieren oder aber hat keinerlei Gespür für die Würde des anderen. Und dabei geht es mir gewiss nicht um den Sonntagsbraten, auf den ich nicht verzichten wollte. CO2 einsparen, sofern ich dies für die einzig wahre Lösung unserer Probleme hielte, ließe sich auch lust- und freudvoller als durch Insektenburger: Auf täglichen Märkten z.B., die so auch zu konspirativen Orten würden, mit saisonalem Gemüse, Kräutern und Obst von Bauernhöfen aus der Umgebung oder dem eigenen Garten. Mit frisch gebackenem duftendem Vollkornbrot, gelegentlich auch mit einem Huhn aus Nachbars Stall oder einem Kaninchen aus dem eigenen, mit Pesto, Kürbiskernöl, würzigen Suppen, herzhaften Gratins, deftigen Eintöpfen und den tausend anderen Köstlichkeiten, die wir kennen und lieben und die Leib und Seele zusammenhalten. Solch eine Versorgung mit Lebensmitteln sollte das angestrebte Ziel der Politik sein. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Doris (Donnerstag, 16 Februar 2023 12:30)

    Ja, liebe Anja, ich stimme dir vollkommen zu! Das wäre die Aufgabe der Politik, aber die macht es nicht. Deshalb muss jeder sich um sich kümmern und wir brauchen einen Austausch untereinander, damit unser Wissen ständig sich vermehrt. LG aus dem Südharz

  • #2

    Ursula Kukureit (Freitag, 17 Februar 2023 22:16)

    Ja, liebe Anja, da stimme ich dir vollkommen zu. Ab sofort sollten wir genau auf Zutatenlisten von Fertigprodukten (wenn wir sie überhaupt kaufen) und Backwaren vom Supermarkt achten, denn laut EU dürfen sich auch darin gemahlene Insekten verstecken.
    Schöne neue Welt.
    Liebe Grüße sendet Ursula