Haste was, biste was

Über Warzenenten gibt es nur wenig verschriftlichtes Wissen, auf das ich zurückgreifen könnte. Deshalb bin ich als Neuling in der Entenhaltung oft völlig ratlos. Als ich mich wieder einmal mit einem für mich besonders komplizierten Problem herumschlug, suchte ich kurzentschlossen in der Entenzüchterliste nach einem Fachmann für diese Rasse. Fündig wurde ich in Thüringen, was mich nicht überraschte, da in der ehemaligen DDR die Haltung dieser für die Selbstversorgung so geeigneten Tiere staatlich gefördert wurde. Ich durfte also hoffen, nicht auf einen Einsteiger in das Thema zu treffen. Am Telefon meldete sich ein älterer Herr mit der typisch wortkargen, leicht ruppigen Art bodenständiger Leute, die sich dem Leben und ihren Mitmenschen stets eine gewisse Skepsis gegenüber bewahrt haben und denen niemals in den Sinn käme, diese mit höflichen Floskeln zu kaschieren. Meine Fragen aber beantwortete er gerne, taute dabei hörbar auf und so waren wir schnell in ein äußerst angeregtes Gespräch über die Besonderheiten unserer Lieblingsenten und über Gott und die Welt vertieft. Erst beim Thema Schlachten zeigte sich die Gegensätzlichkeit unserer Vorstellungen. Für ihn waren die Enten Freude und Leidenschaft, aber eben auch Fleischlieferanten. Dass ich dagegen mein Herz an jedes Geschöpf hänge, das arglos und frohgemut durch unseren Garten wackelt, erschloss sich ihm zunächst nicht. "Warum? Die schmecken gut!", erklärte er mir freundlich, als glaubte er, ich hätte eine Abneigung gegen Entenfleisch. Erst nachdem ich ihm meine Skrupel noch weiter ausmalte, schien er zu verstehen, mit welcher Art Mensch er es hier zu tun hatte und holte ganz im Sinne von Satz und Sieg zum finalen Schlag aus: "Haste was, biste was! Sie wissen doch, was auf uns zukommt?" Ich wusste es nicht, aber ich ahnte, worauf er hinaus wollte und was er mir dann in abgerissenen Sätzen aus seiner Erfahrung mit Krieg und Frieden, mageren Zeiten sowie einer erstaunlichen Analyse unserer wirtschaftlichen und politischen Situation erklärte. Er hätte es auch auf die Kurzformel bringen können: "Mädel, stell dich mal nicht so an. Du wirst noch froh sein, ein paar Enten zu haben." Das war ich auch, bis auf weiteres jedoch und hoffentlich noch sehr lange aus anderen Gründen.           

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Kommentare: 1
  • #1

    Doris (Donnerstag, 23 Februar 2023 07:17)

    Da ich ein halber Thüringer bin und hier im Harz von reichlich solchen umgeben bin, habe ich herzhaft über deine Beschreibung der Thüringer gelacht. Warum smalltalk wenn man gleich zur Sache kommen kann. Danke für präzise Beschreibung! LG aus dem Südharz