Bauernregel

Was haben Wachteleier und Bärlauch gemeinsam? Auf beides musste ich lange warten. Bärlauch ist ein empfindsames Geschöpf. Er bleibt nur dort, wo er sich wohl fühlt und in der Zeit der Eingewöhnung braucht er Ruhe. Das heißt in der Praxis: unseren Traum vom eigenen Bärlauch bereiten wir schon seit vier oder fünf Jahren vor. Zuerst musste ein geeigneter Standort gefunden werden: Bärlauch liebt es schattig und feucht. Wir hofften, für ihn zu Füßen unserer Buche, die von zwei Holzschuppen flankiert wird, einen guten Platz gefunden zu haben. Als nächstes besorgten wir uns einen Hänger voll Mutterboden, verteilten ihn großzügig unter dem Baum und versenkten die bestellten Bärlauchzwiebeln in der lockeren Erde. Seit dem sprießt er Jahr für Jahr und wird zusehends dichter und üppiger. Wir jedoch üben Verzicht, um ihn ja nicht zu verschrecken. Erst im letzten Frühjahr wagte ich, einige Blätter zu ernten, verschonte ihn aber weiter im großen und ganzen. Nun schauen schon wieder die Spitzen aus dem Boden und wir freuen uns auf unsere erste üppige Portion Bärlauch zu Nudeln oder Kartoffeln. Und im kommenden Jahr gibt es dann vielleicht schon selbstgemachte Pesto aus dem Überfluss ...

Und die Wachteleier? Auch hierfür benötigte es eine lange Vorbereitung. Zunächst wachte ich vor fast genau einem Jahr gute zwei Wochen über der Brutmaschine, die die Eier, aus denen einmal die kleinen Hühnervögel schlüpfen sollten, ausbrütete. Nicht länger als unbedingt notwendig traute ich mich aus dem Haus, um ja keine die Brut gefährdende Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit zu übersehen. Es war eine kräftezehrende, vor allem aber seelisch aufreibende Zeit, die ich nicht wiederholen wollte. Zu schwer lastete auf mir die Verantwortung für diese kleinen Wesen, deren Leben ich mir angemaßt hatte. Als die kaum walnussgroßen Küken dann schlüpften, war das Entzücken groß, die Sorgen aber blieben. Die kleinen Flaumbällchen brauchten eine Wärmequelle und hochwertiges Futter, das ich alle zwei Tage aus gekochten Eiern, Haferflocken und Brennesseln frisch zubereitete. Der Karton, in dem sie die erste Woche ihres Lebens auf Küchenrollenpapier verbrachten, musste beinahe im Stundentakt gesäubert werden. Dann zogen sie in eine große mit Spänen ausgestreute Holzkiste, was die Reinigung erleichterte. Als auch die Kiste irgendwann zu klein wurde, quartierte ich die Winzlinge in einen Laufstall neben unseren Ofen ein und erst als ihr Flaum überwiegend von Federn verdrängt worden war, kamen sie mit ihrem Wärmedach, unter das sie wie bei einer Glucke schlüpfen konnten, nach draußen. Aber auch das nur am Tage. Nachts holte ich sie wie gehabt hinein, um ihnen die Nachtkühle und uns die Stromkosten durch die Ersatzglucke zu ersparen. Wären alle putzmunter gewesen, hätte bei all der Mühe die Freude überwogen. Aber eines der Kleinen war schwächlich - ich hatte ihm bereits aus dem Ei helfen müssen. Es schob sich, wenn es nicht neben seinen Geschwistern unter der Wärmeplatte döste, mit vorgestrecktem Kopf manisch durch den Käfig. Es wuchs nicht und wurde irgendwann so elend, dass wir es erlösen mussten. Ein anderes schien zunächst gesund, entwickelte aber mit der Zeit einen schiefen Hals, der ihm die Futteraufnahme unmöglich machte. Einige hatten Durchfall, dem ich versuchte mit Oregano und Mohn beizukommen. Endlich waren die Kräftigen und Gesunden dann aber doch erwachsen geworden und durften ins Gewächshaus mit angeschlossenem Außengehege. Da fiel eines durch die Gitterstäbe hindurch einem Waschbären zum Opfer. Ein weiteres starb tags darauf völlig unversehrt und wohlgenährt einen so sanften Tod, dass ich lange glaubte, es ruhe sich nur aus. Vielleicht hatte es die Tragödie miterlebt und starb an Kummer oder Herzversagen - wer weiß. Hinzu kam die Sorge, dass sich am Ende zu viele Wachteln als Männchen herausstellen könnten - ein Problem, für das die gesamte Wachtelhalterwelt nur eine Lösung kennt. Nämlich sie zu schlachten, bevor es innerhalb der Schar zu Mord und Todschlag kommt. In dieser Hinsicht hatte ich jedoch Glück. Nur zwei begannen irgendwann zu krähen und den Hennen nachzustellen, lebten aber bis auf kleine Streitereien friedlich zusammen. Da war es allerdings schon spät im Jahr, die Winterpause setzte ein und an Eier war bis auf Weiteres nicht zu denken. Um so größer ist nun die Freude, Eier wie Kleinode im Stall zu finden. 

Und so stelle ich meine erste Bauernregel auf: Spitzt der Bärlauch ans Licht, sind die Eier in Sicht :-)

 

   

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