
Im Tierreich gibt es für alles Beispiele. Jeder könnte mit Leichtigkeit ein Tier finden, das seine Weltanschauung repräsentierte. Ein einziges "aber so ist es doch in der Natur" als Vorbild für das gelungene menschliche Leben gibt es schlicht nicht. Der Mensch kann vielleicht am ehesten als das Wesen definiert werden, das alle Varianten als Möglichkeit in sich trägt. Er kann treu sein wie ein Schwan und das als erstrebenswert ansehen oder sich unseren Johann anschauen und den Frauenheld bestaunen. Er wird in unserer Olga das Ideal einer hingebungsvollen Mutter bewundern und innerhalb der selben Spezies bei unserer Alma auf ein Exemplar der Gattung "aus den Eiern aus dem Sinn" als Normalität verweisen können. Lernen lässt sich durch die Beobachtung des Tierverhaltens dennoch so einiges. Wenn z.B. die viel kleineren Küken von Olga die zwei wesentlich älteren von Alma verjagen und diese dann tatsächlich das Weite suchen, dann kann man zurecht vom Sieg der Frechheit reden und auf Seiten der Opfer vom Fehlen einer gesunden Selbsteinschätzung. Und dass die Dreisten nicht zum Mitleid mit den Verängstigten neigen, sondern die devote Haltung nutzen, ihre Machtposition auszubauen, lässt sich nicht nur bei den Menschen sondern auch bei meinen Enten trefflich studieren, denn nun weichen die Großen bereits beim bloßen Anblick der sich nähernden kleinen Schar vom Futternapf zurück und machen ihnen Platz. Anders als beim Menschen, der sich seine Schwäche moralisierend schönreden und dem die Unterwürfigkeit gegenüber den Anmaßungen und der Willkür der Frechen als heroische Tat oder solidarischer Akt eingeredet werden kann, vertraue ich bei meinen Enten allerdings auf ihren gesunden "Menschenverstand" und die Kraft der Betrachtung und Besinnung. Im Gegensatz zu uns Menschen nämlich, denen irgendwie die Zeit zur Innen- und Weltschau abhanden kam, verbringen sie einen Gutteil des Tages damit, an einem schönen Platz im Garten in sich gekehrt herumzuliegen, zu schauen und zu lernen. Daher bin ich sicher, dass sich meine geplagten Halbwüchsigen irgendwann ihrer Stärke erinnern und sich gegen die aufmüpfige Brut zur Wehr setzen. Dann hat die Tyrannei endlich ein Ende.
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